Börsen-Zeitung: Nur ein erster Schritt, Kommentar von Lisa Schmelzer zum angekündigten Wechsel an der Spitze von Air Berlin
Frankfurt (ots)
Der Rückzug von Joachim Hunold von der Air-Berlin-Spitze ist ein lange überfälliger Schritt - und deshalb spielt es auch nur am Rande eine Rolle, ob es sich tatsächlich um einen Rücktritt oder doch einen Rausschmiss handelt. Für Letzteres spricht, dass der Schritt erfolgt, bevor ein Nachfolger gefunden ist. Für einen Rücktritt spricht, dass Hunold im Board of Directors bleiben wird.
Allein der Wechsel an der Spitze garantiert allerdings noch nicht, dass der Verlustbringer Air Berlin die Kurve kriegt. Das Restrukturierungsprogramm "Shape & Size" kann zwar unter Interims-CEO Hartmut Mehdorn an Konturen gewinnen, für einen echten Neuanfang steht der ehemalige Deutsche-Bahn-Chef aber keinesfalls. Zumal, wenn Hunold im Hintergrund weiter die Fäden zieht.
Air Berlin braucht zudem mehr als ein Restrukturierungsprogramm. Die Nummer 2 auf dem deutschen Luftverkehrsmarkt hat eine umfassende strategische Überarbeitung nötig. Bisher sah die Strategie permanentes Wachstum vor allem über Zukäufe und großvolumige Flugzeugbestellungen vor. Immer mehr neue Geschäftsfelder kamen dazu und wurden an das Unternehmen angedockt. In der Folge tanzt Air Berlin mittlerweile auf zu vielen Hochzeiten und hat Mühe, alle Flugzeuge zu füllen. Das Chartergeschäft von zweit- und drittrangigen Flughäfen aus gehört ebenso zum Angebot wie Reisen für Geschäftskunden oder Langstrecken-Destinationen von den großen Airports aus. Geht wegen der Nordafrika-Krise Geschäft verloren, wird auf Teufel komm raus Kapazität in Richtung Spanien umgelenkt. Das Überangebot im Spanienverkehr erschwert nun allen Fluglinien, inklusive Air Berlin selbst, profitables Wirtschaften, was Hunold selbst gestern beklagte. Alles in allem gleicht der strategische Kurs von Air Berlin schon länger einem Irrflug.
Wer auch immer bei der Fluglinie das Steuerruder übernimmt, wird erst einmal gründlich ausmisten müssen. Welches Geschäft verspricht auskömmliche Renditen, welches operiert seit Jahren in den roten Zahlen und muss eingedampft oder ganz dichtgemacht werden? Erste zaghafte Schritte werden mit den angekündigten Streckenstreichungen bereits unternommen, weitere müssen folgen.
Will der Aufsichtsrat um den ehemaligen Metro-Chef Hans-Joachim Körber allerdings einen erstklassigen CEO-Kandidaten für Air Berlin gewinnen, ist eines jetzt schon klar: Ein solcher wird einen Non-Executive Director Joachim Hunold, der mit hineinregiert, nicht akzeptieren.
(Börsen-Zeitung, 19.8.2011)
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