Börsen-Zeitung: Lagardes Bärendienst, Kommentar von Carsten Steevens zur Forderung der IWF-Chefin Christine Lagarde nach einer "substanziellen Rekapitalisierung" der europäischen Banken
Frankfurt (ots)
Präsidentin der Europäischen Zentralbank (EZB) ist sie nicht. Doch auch als neue geschäftsführende Direktorin des Internationalen Währungsfonds (IWF) muss Christine Lagarde aufpassen, was sie wann sagt und wie. Zumindest aber sollte sie in Krisenphasen wie diesen, in denen die Entwicklungen an den Finanzmärkten leicht wieder panische Züge annehmen, sorgfältig darauf achten, wie ihre Aussagen aufgefasst und interpretiert werden könnten.
Indem die ehemalige Finanzministerin Frankreichs beim Notenbankertreffen in Jackson Hole am Wochenende einer substanziellen Rekapitalisierung der europäischen Banken das Wort redete, beherrschte sie die Schlagzeilen. Als IWF-Chefin stellte Lagarde damit die anwesenden Zentralbankgouverneure glatt in den Schatten. Doch selbst wenn es ihr vorrangig um persönliche Profilierung ging, musste sie wissen, dass es gegenwärtig ein Spiel mit dem Feuer ist, in dieser Position öffentlich eine Kapitalstärkung der Banken herbeizureden mit der Begründung, dass den Euro-Kernländern ansonsten eine Rezession drohe oder dem Finanzsystem eine Liquiditätskrise.
Das Risiko der sich selbst erfüllenden Prophezeiung hat Lagarde mit ihrem Alarm-Appell offenbar bewusst in Kauf genommen. Kaum überraschen konnte daher, dass sich neben anderen auch der amtierende EZB-Präsident Jean-Claude Trichet umgehend genötigt sah, der Landsfrau in ebenso klarer Form coram publico zu widersprechen.
Angesichts dieser Kakophonie stellt sich nun die elementare Frage, ob die Beteiligten noch bestrebt sind, Investoren und auch Steuerzahlern, die in den vergangenen Jahren unfreiwillig die Rolle der Bankenretter übernehmen mussten, Orientierung zu bieten. Diesen Eindruck hinterließ das internationale Krisenmanagement in den vergangenen Tagen zumindest in der Öffentlichkeit nicht.
Mit ihrem forschen Aufruf zur raschen und umfangreichen Rekapitalisierung der Banken erwies IWF-Chefin Lagarde nicht zuletzt auch der jungen Europäischen Bankenaufsicht einen Bärendienst. Einen Beitrag, die Zweifel an der Aussagekraft der erst vor sechs Wochen publizierten Ergebnisse des diesjährigen Bankenstresstests, für den die European Banking Authority (EBA) erstmals verantwortlich war, zu beseitigen, leistete die Französin jedenfalls nicht. Untergraben wurde die Autorität einer Institution, die jetzt darauf hoffen muss, dass die Testprämissen für Kapital- und Liquiditätserfordernisse der Banken umfassend und pessimistisch genug waren. Ansonsten bräuchte die EBA auch die Rückendeckung der IWF-Chefin nicht mehr.
(Börsen-Zeitung, 31.8.2011)
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