Börsen-Zeitung: Bail-out-Tender, Kommentar zum neuen Dreijahrestender der EZB, von Stephan Balling.
Frankfurt (ots)
Der Bankenverband hat recht: Der jüngste 530 Mrd. Euro schwere Dreijahreskredit an Eurolands Geschäftsbanken durch die Europäische Zentralbank (EZB) darf nicht als "Breitbandantibiotikum" missverstanden werden. Völlig zu Recht weist Hauptgeschäftsführer Michael Kemmer darauf hin, dass die EZB nur Zeit kaufen, aber weder einen funktionsfähigen Interbankenmarkt ersetzen noch die Staatsschuldenkrise lösen kann. Leider aber kennt die EZB mittlerweile keine Grenzen mehr bei der Lockerung ihrer Geldpolitik: Immer längere Geschäfte, immer geringere Anforderungen an die Sicherheiten und einen EZB-Präsidenten Mario Draghi, der Banken unverhohlen dazu drängt, sich nur ja viel billiges Geld bei der Zentralbank zu holen. Dabei hat der Großteil Eurolands die EZB-Hilfen gar nicht nötig und von der Kreditklemme, vor der Draghi seit Wochen fast panisch warnt, war und ist nichts zu sehen.
Sicher, nicht zuletzt die teils ungeschickte Regulierung mag die Finanzierung von Banken in den vergangenen Monaten erschwert haben und ein Argument für den Dreijahrestender sein. Dann aber bitteschön nicht zu diesen extrem niedrigen Zinsen und nicht gegen immer schlechtere Sicherheiten!
Und besagte Kreditklemme ist außer vielleicht in den Krisenländern nicht zu erkennen: In Deutschland liegt die Ifo-Kredithürde extrem niedrig und die Kreditvergabe zieht an. Auch links des Rheins ist die Lage entspannt. Laut Natixis-Chefökonom Patrick Artus gibt es in Frankreich lediglich "einen großen Rückgang in der Kreditnachfrage". Die Banken als Kreditanbieter seien keineswegs knausrig. Die großzügige EZB-Politik habe folglich einen ganz anderen Grund: "Ohne die Dreijahrestender gäbe es den Euro nicht mehr." Bereits der erste EZB-Dreijahreskredit vom Dezember hat wesentlich dazu beigetragen, dass Banken überhaupt noch Anleihen von Ländern wie Italien oder Spanien kaufen und diese so flüssig bleiben. Aber wie lange will die EZB diese Art indirekter Staatsfinanzierung betreiben? Sie kann mit ihren "Bail- out-Tendern" nur Zeit kaufen.
Dabei impliziert die Vokabel "kaufen", dass diese Geldpolitik einen Preis hat: So wachsen in den Bilanzen der Währungshüter Risiken, die vor allem der deutsche Steuerzahler trägt. Und in Deutschland bilden sich mittlerweile durch das viele billige EZB-Geld Blasen etwa an den Bond- und Immobilienmärkten - wie in den ersten Jahren der Währungsunion in Irland, Portugal, Spanien, Griechenland und Italien. Offenbar nimmt die EZB zur Rettung des Euro und aller Euro-Länder den Preis eines weiteren Boom-and-Bust-Zyklus in Kauf.
(Börsen-Zeitung, 1.3.2012)
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