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Börsen-Zeitung: Überzogene Erwartungen, Marktkommentar von Dieter Kuckelkorn

Frankfurt (ots)

Die vergangenen zwei Wochen an den Finanzmärkten waren nichts für schwache Nerven. Zunächst hat es - angeführt von den Edelmetallen - teilweise erdrutschartige Verluste an den Rohstoffmärkten gegeben. Dann erwischte es auch den Aktienmarkt. Der Dax rutschte am Mittwoch binnen Minuten um fast 200 Indexpunkte ab, er durchbrach mehrere charttechnische Unterstützungszonen und hat nun Probleme, die Marke von 7500 Punkten wieder zu erklimmen. Bezogen auf das Jahreshoch per Mitte März hat der deutsche Leitindex damit mehr als 500 Punkte verloren. Und bezogen auf den Stand zum Jahresanfang ist mittlerweile der gesamte Jahresgewinn des Dax dahin.

Für die Misere gibt es einen Hauptgrund: Die Konjunkturerwartungen der Finanzinvestoren waren für praktisch alle wichtigen Weltregionen überzogen. Was sich nun beobachten lässt, ist somit eine überfällige Korrektur. Wie weit sie geht und ob sie möglicherweise schon beendet ist, lässt sich nur schwer sagen. Die Konjunkturängste, die die Marktteilnehmer jetzt im Griff halten, erscheinen als durchaus angebracht und als nicht übertrieben. Zwar spricht einiges dafür, dass es in der neuen Börsenwoche zunächst eine leichte Aufwärtsbewegung geben könnte. Zudem lässt sich das reduzierte Kursniveau bei vielen europäischen Titeln auch als eine gute Kaufgelegenheit interpretieren, zumal die Bewertungen der Aktien noch recht moderat sind: Beim Dax beträgt das Kurs-Gewinn-Verhältnis auf Basis der Gewinnerwartungen für die kommenden zwölf Monate 10,7. Mittelfristig gibt es aber erhebliche Risiken.

Tiefe Spuren hinterlassen

In Europa hinterlässt die harte Sparpolitik, die den Krisenländer abverlangt wird, tiefe Spuren. So ist Italiens Wirtschaft im letzten Jahresviertel 2012 gegenüber dem Vorquartal um 0,9% geschrumpft. Spanien kam auf ein Minus von 0,7%, und Portugals Bruttoinlandsprodukt (BIP) ist gar um 1,8% geschrumpft. Die hohen Arbeitlosenquoten in den Ländern lassen ebenfalls wenig Gutes für den restlichen Jahresverlauf 2013 erwarten. Da die Kaufkraft am Boden liegt, ist nicht damit zu rechnen, dass es im laufenden Jahr noch zu einem nennenswerten Aufschwung kommen wird. Der Internationale Währungsfonds (IWF) sah sich jüngst gezwungen, die Prognose für das Wirtschaftswachstum in der Eurozone weiter zu senken. Der IWF geht jetzt von einer Kontraktion um 0,3% aus. Die Schwäche hat auch längst die Kernländer erreicht: Die Regierung in Paris erwartet inzwischen, dass das französische BIP 2013 nur um 0,1% expandieren wird. Bisher hatte die offizielle Schätzung auf 0,8% gelautet. Der IWF rechnet sogar mit einer Schrumpfung um 0,1%. Und ob das für 2014 von der Organisation vorausgesagte moderate Wachstum der gesamten Eurozone um 1,1% realistisch ist, darf bezweifelt werden.

Und es besteht noch eine weitere Gefahr: Aufgrund der prekären Konjunkturlage könnte sich die Einnahmeseite der Krisenstaaten schwächer darstellen als bislang berechnet, sodass die Schuldenkrise erneut hochkochen könnte, wenn einige Staaten neue Hilfspakete benötigen. Wobei die weiter steigende Verschuldung der Länder neue Kredite als problematisch erscheinen lässt. Zusätzliche finanzielle Opfer der Bevölkerung der Krisenländer, mit denen dann zu rechnen wäre, dürften allerdings wiederum auf die Konjunktur durchschlagen.

Leichte Zielverfehlung

Aber auch außerhalb Europas ist nicht alles zum Besten bestellt. In China lag das Wirtschaftswachstum im ersten Quartal mit 7,7% zwar nur geringfügig unterhalb der prognostizierten 8%. Angesichts der hochgesteckten Erwartungen an den Rohstoff- und Aktienmärkten hat die leichte Zielverfehlung aber bereits ausgereicht, um für erhöhte Verunsicherung zu sorgen. Und auch für die USA waren die Erwartungen zu hoch, wie der Verlust von rund 3% in den vergangenen fünf Handelstagen beim S&P 500 zeigt.

Große Fragezeichen

Europäische Aktien könnten trotz der erheblichen Gefahren auf kurze Sicht von der Quartalssaison profitieren, die jetzt in ihre heiße Phase eintritt, denn die Ertragslage vieler Unternehmen ist nach wie vor exzellent. Prognosen längerfristiger Gewinne der Aktienmarktbarometer, wie sie derzeit noch die meisten Analysten abgeben, sind jedoch mit großen Fragezeichen zu versehen. Kritisch sind in den kommenden Monaten insbesondere Aktien von Konzernen mit starker Ausrichtung auf den Binnenmarkt oder mit hoher Konjunkturabhängigkeit zu sehen.

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