Börsen-Zeitung: Die Risiken wachsen, Marktkommentar von Thorsten Kramer
Frankfurt (ots)
Die starke Performance der europäischen Aktienmärkte im laufenden Börsenjahr ist in allererster Linie liquiditätsgetrieben: Diese Erkenntnis genießt inzwischen den Status einer Binsenweisheit. Anleger, die sich jetzt intensiv mit ihrer Strategie für das Jahr 2014 beschäftigen, sollten sich dennoch an die steigenden Risiken erinnern, die nun mit einem neuen Investment in Dividendenwerte verbunden sind - denn wie aktuelle Daten von Thomson Reuters zeigen, ist die Entwicklung der Unternehmensgewinne in vielen Branchen nach wie vor sehr enttäuschend. Das Prekäre: Zuversichtlich argumentierende Marktanalysten verbinden in allererster Linie mit einer Erholung der Weltwirtschaft und einem daraus folgenden Anstieg der Firmenerträge die Hoffnung auf frische Impulse für die Aktienkurse. Schließlich haben die maßgeblichen europäischen Indizes inzwischen vielfach ein Niveau erreicht, das längst als völlig losgelöst von der fundamentalen Basis auf der Unternehmensseite einzustufen ist.
Seit Anfang September haben sich die Prognosen der Analysten für die Unternehmensgewinne im dritten Quartal erheblich eingetrübt. Hatte sich der Konsens anfangs auf einen Rückgang der Erträge um etwas mehr als 4% eingestellt, strichen viele Analysten ihre Schätzungen in den zurückliegenden sechs Wochen mehr und mehr zusammen. Inzwischen rechnet der Konsens damit, dass die Erträge im Vergleich zum Vorjahr um 13,9% absacken. Eine weitere Belastung für das Sentiment ist es, dass unverändert viele Unternehmen ihre Ausblicke sehr zurückhaltend formulieren.
Viele Firmen enttäuschen
Wenig ermutigend ist es zudem, dass nur 46% der 235 Unternehmen aus dem Universum des Stoxx 600 Index, die bisher schon ihre Geschäftszahlen veröffentlicht haben, die Schätzungen übertreffen konnten; der langjährige Durchschnittswert dieser Quote liegt immerhin um drei Prozentpunkte höher. Annähernd 46% der Unternehmen verfehlten hingegen die Analystenerwartungen.
Besonders enttäuschend entwickelten sich dabei die Gewinne der europäischen Versorger, bei denen bislang rechnerisch betrachtet mehr als vier von fünf Branchenmitgliedern schwächer abschnitten als gedacht. Auch zyklische Konsumwerte sowie Energie- und Industriekonzerne blieben mehrheitlich hinter den Prognosen zurück. Besonders gut fielen die Geschäftszahlen dagegen in den Sektoren Telekommunikation und Finanzen aus. Auch im Technologiesektor übertrafen die positiven Überraschungen die Enttäuschungen. Angesichts dieser insgesamt eher trüben statistischen Daten drängt sich nun die Frage auf, wie nachhaltig die Mittel an den Aktienmärkten der Eurozone eigentlich angelegt sind, die seit Monaten zufließen. Eine Umfrage des Datenanbieters Lipper bestätigte vor dem Wochenende, dass US-amerikanische Investmentfonds (inklusive Exchange Traded Funds) inzwischen schon in der zwanzigsten Woche in Folge das Nettovolumen ihrer investierten Mittel erhöht haben. Seitdem Lipper im Jahr 1992 damit begann, diese Daten zu erheben, gab es in Europa erst einmal - nämlich vor sieben Jahre - eine ebenfalls so lang anhaltende Phase mit Mittelzuflüssen aus Übersee.
Die jüngste Zinssenkung, mit der die Europäische Zentralbank viele Marktteilnehmer überrascht hat, sowie die Ankündigung der künftigen US-Notenbankchefin Janet Yellen einer anhaltend lockeren Geldpolitik dürften dazu beitragen, dass die Perspektiven an Europas Aktienmärkten zunächst weiterhin positiv sind. Mit Blick auf die näher rückende nächste Runde im US-Budgetstreit, aber insbesondere in Erwartung einer ersten Drosselung der Anleihenkäufe in den USA im Frühjahr zeichnet sich aber schon jetzt ab, dass sich das Börsenklima bald eintrüben dürfte. Mangels Alternativen werden 2014 Aktien weiterhin im Fokus der Anleger stehen. Es wird aber ungleich schwieriger sein, wieder eine starke Performance zu erzielen.
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