Börsen-Zeitung: IBAN die Schreckliche, Kommentar zur Sepa-Umstellung von Detlef Fechtner
Frankfurt (ots)
Es gebe, so hieß es unisono, keinen Plan B. Bis gestern Vormittag. Da gab es dann plötzlich doch einen. Einen Plan B wie Barnier. Oder wie Barroso.
EU-Kommissar Michel Barnier hat nach Absprache mit seinen Kollegen, also auch mit EU-Kommissionschef José Manuel Barroso, vorgeschlagen, dass die Umstellung des Zahlungsverkehrs für Staaten, Firmen und Vereine auf einen europäischen Standard um ein halbes Jahr verschoben wird. Der EU-Kommissar unterstrich zwar, am formellen Sepa-Stichtag werde nicht gerüttelt. Vielmehr würden lediglich Ausnahmen bis August erlaubt. Aber man benötigt schon eine Menge Gutmütigkeit, um dieser spitzfindigen und eigenwilligen Darstellung zu folgen.
Barnier sagt, ihn treibe die Sorge um, dass die Zeit zur Umstellung für einige Mittelständler oder Vereine knapp werden dürfte - und es gewiss zu Problemen bei Mitgliedsbeiträgen und Rechnungen käme, wenn von Februar an alte Formate nicht mehr akzeptiert würden. Ob jedoch das Risiko tatsächlich so hoch ist, wie es die EU-Kommission andeutet, und ob wirklich massenhaft Unternehmen in Finanznöte geraten würden - daran kann man ernsthaft zweifeln.
Vieles spricht dafür, dass die EU-Behörde gerade jetzt den Groll der Bürger darüber fürchtet, dass die ohnehin so unbeliebten Kontonummern in der Praxis für Durcheinander sorgen. Schon vor Jahren provozierte IBAN die Schreckliche hässliche Schlagzeilen, die sich vor allem gegen die Eurokraten richteten. Nun, mitten im Wahlkampf für das Europäische Parlament, wollte die EU-Behörde allem Anschein nach ein Wiederaufleben dieses Unmuts vermeiden.
Die Angst vor Populismus ist aber ein schlechter Ratgeber - und rechtfertigt eben nicht Entscheidungen, die einen hohen Preis haben. Die EU-Behörde hat erstens die Glaubwürdigkeit beschädigt - ihre eigene und die der Notenbanken, die sich öffentlich für das Vorhaben engagiert und dabei den Stichtag verteidigt hatten. Brüssel hat zweitens Rechtsunsicherheit geschaffen. Denn Banken müssen nun im Februar auf eigene Verantwortung entscheiden, ob sie dem Gesetz folgen - oder mit dessen nachträglicher Korrektur durch die Gesetzgeber rechnen. Warum, wenn er es denn für nötig hält, hat der EU-Kommissar die längere Frist erst jetzt vorgeschlagen? Wieso gleich um ein halbes Jahr? Weshalb teilen viele Experten nicht die Angst Barniers vor einem Chaos und befürworten für den Notfall Zwangskonvertierungen? Viele Fragen drängen sich auf. Und ein Eindruck: Der gestrige Vorstoß aus Brüssel ist ziemlicher Murks.
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