Börsen-Zeitung: Schräge Ideen,Kommentar zu Dispokrediten von Bernd Wittkowski
Frankfurt (ots)
So sicher, wie alle Jahre wieder das Ungeheuer von Loch Ness gesichtet wird, kommt mit unschöner Regelmäßigkeit die Diskussion über den Dispositionskredit hoch. Wer darauf wettet, dass sich dann stante pede Politiker mit unausgegorenen Vorschlägen zu Wort melden, wie man Banken und Sparkassen auch noch dieses Stückchen wirtschaftlicher Gestaltungsfreiheit wegregulieren sollte, der geht keinerlei Verlustrisiko ein. Diesmal war der Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz, Heiko Maas, der Schnellste. Er will die Kreditwirtschaft verpflichten, Kunden, die den Dispo länger in Anspruch nehmen, "eine Beratung über bessere Alternativen anzubieten". Der SPD-Politiker glaubt zu wissen, dass viele Banken "weiterhin unangemessen hohe" Dispozinsen kassierten.
Das könnte der nächste Regulierungshit werden. Hat die EU-Kommission das Thema noch gar nicht entdeckt? Hier tut sich doch ein wunderschönes neues Spielfeld für Politiker und Regulierer auf. Wer legt eigentlich in Zukunft nach welchen Kriterien fest, was "angemessen" ist? Die BaFin? Die EZB? Das Finanz- oder das Justizministerium? Die Stiftung Warentest? Maas ist, auch wenn er die Zinsregulierung oder Zinsdeckelung nicht ausdrücklich fordert, schon relativ nah dran. Von der Linken gab es ja auf Länderebene sogar schon einschlägige Gesetzentwürfe. Aber man täusche sich nicht: Die schrägen Ideen sind parteipolitisch ziemlich breit verankert. Hessens schwarz-grüne Koalition hat sich immerhin aufs Panier geschrieben, den Finanzplatz Frankfurt zu einem "Vorbild in der Zinspolitik" entwickeln zu wollen, und beabsichtigt in diesem Zusammenhang, mit Sparkassen und Kreditgenossen über "angemessene" Dispozinsen zu reden. Zur Erinnerung: Bis 1967 galt hierzulande eine staatliche Zinsverordnung.
Die Stiftung Warentest hat in ihrer aktuellen Untersuchung Dispozinsen in der Spanne von 4,9 bis 14,25% ermittelt. Das, Herr Maas, nennt man Wettbewerb und Marktwirtschaft. Diesem System ist es immanent, dass Wirtschaftsunternehmen wie zum Beispiel Banken Kosten haben (in der Höhe nicht zu verwechseln mit dem EZB-Leitzins) und möglichst Gewinne erzielen sollten, um investieren und Arbeitsplätze schaffen zu können. Zur Marktwirtschaft gehören schließlich auch mündige Verbraucher, die selbst entscheiden können, ob, wie, bei welchem Institut und zu welchen Konditionen sie sich verschulden oder nicht. Man sollte diese Wirtschaftssubjekte nicht ohne Not durch weitere Regulierungsexzesse entmündigen, egal wie oft Nessie noch in Gestalt der Dispo-Diskussion auftaucht.
Pressekontakt:
Börsen-Zeitung
Redaktion
Telefon: 069--2732-0
www.boersen-zeitung.de
Original-Content von: Börsen-Zeitung, übermittelt durch news aktuell