Börsen-Zeitung: Euro-Karren im Dreck, Kommentar zu Griechenland von Bernd Wittkowski
Frankfurt (ots)
Sie malträtieren uns also weiter, sich selbst natürlich auch: Am Wochenende soll weiterverhandelt werden in Sachen Griechenland. Womöglich ist sogar dann noch nicht Schluss. Bundeskanzlerin Angela Merkel fordert eine Lösung bis Montagmorgen. Sollte man nicht noch den Dienstag dazu nehmen? Erst dann, am 30. Juni, läuft doch das aktuelle europäische Hilfsprogramm aus, und die Rückzahlung der Hellenen von 1,6 Mrd. Euro an den Internationalen Währungsfonds wird fällig.
Die Commerzbank hatte jüngst schon mal den 20. Juli als jenen Termin genannt, an dem es für Athen "ernst" werden könnte, weil dann die von der EZB gehaltenen Staatsanleihen von 3,4 Mrd. Euro zur Tilgung anstehen. Die gut drei Wochen müssten sich doch mit Eurogruppentreffen, Sondergipfeln und bei Bedarf mit dem in der EU erprobten Anhalten der Uhren überbrücken lassen, oder? Sorry, auf der nicht nur bei den Unterhändlern in Brüssel, sondern längst auch beim Publikum erreichten Eskalations- und Frustrationsstufe fällt es schwer, sich dem Thema allweil mit der gebotenen Ernsthaftigkeit zu nähern.
Jetzt aber ganz im Ernst: Das Spiel, das hier vor allem auch von der neuerdings nebenbei für Bankenaufsicht zuständigen EZB gespielt wird, indem sie die eben nicht nur an vorübergehenden Liquiditätsproblemen krankenden griechischen Zombiebanken künstlich am Leben hält, ist ein Skandal, wenn nicht Schlimmeres. Bundesbankpräsident Jens Weidmann und Sparkassenpräsident Georg Fahrenschon weisen - in etwas wohltönenderen Worten - zu Recht darauf hin, dass die Hüter des Euro mit den auf 89 Mrd. Euro hochgeschraubten ELA-Notfallkrediten den Bogen längst überspannen. "Statt einer kurzfristigen Liquiditätshilfe werden marode Banken dauerhaft an den Tropf gelegt", analysiert Fahrenschon treffend, es seien in Wahrheit die Kapitalflucht aus Hellas und Bargeldabhebungen der Griechen in großem Umfang, die diese Kredite notwendig machten. Wie weit will sich die unabhängige EZB noch in den Dienst der Politik stellen respektive sich von den Staats- und Regierungschefs instrumentalisieren lassen?
Der flagrante Interessenkonflikt der Währungswächter steht exemplarisch dafür, wie tief der ganze Euro-Karren in den Dreck gefahren wurde. Glaubt irgendjemand allen Ernstes, da würde man ihn noch einmal herausziehen können mit einem faulen Kompromiss am Wochenende, am Montag oder wann auch immer? Wer nach monatelangen, für alle Beteiligten und Beobachter zermürbenden Verhandlungen in offensichtlich vergiftetem Klima nicht zu Potte gekommen ist, der will sich nicht einigen.
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