Börsen-Zeitung: Im Dilemma, Kommentar zu Hapag-Lloyd von Carsten Steevens
Frankfurt (ots)
Den optimalen Zeitpunkt für einen Börsengang zu finden, sei immer schwierig, erklärte Hapag-Lloyd-Chef Rolf Habben Jansen vor einem Monat, als Deutschlands größte Containerreederei ihre Pläne für einen Börsengang verkündete. Damit bezog er sich zum einen auf die Vergangenheit, denn mit Anläufen für ein Initial Public Offering (IPO) blieb das Hamburger Unternehmen allein in den vergangenen elf Jahren schon zweimal erfolglos. Zum anderen ließ sich Ende September nicht zuletzt angesichts der Konjunktursorgen um China absehen, dass der Börsengang auch im Herbst 2015 gewiss kein Spaziergang werden würde. Nach der Gewinnwarnung des weltweiten Branchenführers Møller-Mærsk am vergangenen Freitag haben sich die Perspektiven nochmals verschlechtert. Davon zeugt nach der zwischenzeitlichen Verringerung des erwarteten Verkaufserlöses die Verlängerung der Angebotsfrist um eine Woche.
Die Investmentbanken und der Vorstand von Hapag-Lloyd wollen bis zum 3. November die wackelnden Aufträge der Investoren in den sicheren Hafen bringen. Ob sich aber die Anleger davon überzeugen lassen, dass die Reederei den Ausblick für 2015 - so wie im Wertpapierprospekt vor zwei Wochen veröffentlicht - nach der Gewinnwarnung von Møller-Mærsk bekräftigt hat? Wie beruhigend ist es, dass die Hamburger auf den Routen zwischen Fernost und Europa, auf denen die Frachtraten besonders unter Druck stehen, weniger stark exponiert sind als der dänische Marktführer? Auch nach der Übernahme des Containergeschäfts der chilenischen Reederei CSAV, mit der Hapag-Lloyd das Geschäft auf den Strecken von und nach Lateinamerika gestärkt hat, dürfte die Abgrenzung von Møller-Mærsk schwer fallen.
Hapag-Lloyd steckt, was das Timing des Börsengangs angeht, in einem Dilemma. Bilanziell wurde ein Börsengang in diesem Jahr mit dem Abschluss 2014 vorbereitet. Das Unternehmen hat nach vier Verlustjahren aber gerade einmal zwei Quartale mit Gewinnen hinter sich. Synergien aus dem Zusammenschluss mit CSAV sowie weitere eigene Einsparungen eröffnen zwar die Perspektive auf bessere Ergebnisse und auch auf Dividenden ab 2016. Doch wie sind die Aussichten zu bewerten, wenn das branchenweite Problem der Überkapazitäten und der niedrigen Frachtraten in absehbarer Zeit nicht vom Tisch kommt? Eine weitere Konsolidierung in der Branche könnte die Bedingungen für Hapag-Lloyd noch verschärfen. Warum sollten sich Anleger auf einen Börsengang besser jetzt als später einlassen? Ist Hapag-Lloyd reif für die Börse?
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