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Börsen-Zeitung: Wohlfühlfaktor Zweitkind, Kommentar zu China von Norbert Hellmann

Frankfurt (ots)

Der jüngste Besuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel im Reich der Mitte ist von einigen anderen Nachrichten, die Chinas wirtschafts- und sozialpolitische Geschicke prägen, etwas in den Schatten gestellt worden. Just am Donnerstag ist nämlich auch das sogenannte fünfte Plenum der Kommunistischen Partei Chinas zu Ende gegangen, mit dem entscheidende Weichenstellungen getroffen und der Entwurf für den kommenden Fünfjahresplan abgesegnet wurden.

Die Parteiführung hat sich zunächst nur zu allgemeinen Sentenzen über die Sicherung eines angemessenen "mittelhohen" Wirtschaftswachstums und der Verbesserung der Lebensbedingungen auf dem Wege zu einer "moderat prosperierenden Gesellschaft" bequemt, die keine konkrete Stoßrichtung oder Reformziele des neuen Plans oder Maßnahmen zur Dynamisierung der Wirtschaft erkennen lassen. Vielmehr hat man sich zunächst einmal auf eine frohe Botschaft mit sozialpolitischem Wohlfühlfaktor konzentriert und wissen lassen, dass die unpopuläre Ein-Kind-Politik abgeschafft wird.

Chinas Familienplanung wird damit zwar nicht völlig freigestellt, sondern nur hin zu einer Zwei-Kind-Politik gelockert, immerhin aber wird ein Signal gesetzt, dass man vor dem Hintergrund einer lauter tickenden demografischen Zeitbombe und der Gefahr einer langfristig überalternden Gesellschaft staatliche Planungswut zurückfährt und auch sozialpolitische Modernisierungen zulässt.

Die neue Maßnahme wird in einigen konsumverwandten Branchen als gute Nachricht gefeiert und lässt Aktien von Babynahrungsherstellern in die Höhe schießen. Sie dürfte insgesamt allerdings wenig direkte Belebungseffekte für eine Wirtschaft zeitigen, die in den kommenden fünf Jahren stärker von Konsum und Dienstleistungen gezogen werden soll, ohne weiter groß an Schwung zu verlieren.

Zwar hat die Parteiführung am Donnerstag nicht offiziell wissen lassen, welches jährliche Wachstumsziel im neuen Fünfjahresplan verankert wird, aber Merkels Besuch hat einen entscheidenden Fingerzeig gebracht: Aus Delegationskreisen verlautete, dass Chinas Premier Li Keqiang im Gespräch mit der Kanzlerin die Reduzierung des durchschnittlichen Wachstumsziels von 7% auf 6,5% angedeutet habe. Das wäre ein gute Nachricht, denn eine moderatere Vorgabe erhöht die Chancen, dass Peking nicht nur sozialpolitisch, sondern auch wirtschafts- und finanzpolitisch Bereitschaft zeigt Reformen durchzusetzen, die Anfangs Wachstumspunkte kosten.

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