Börsen-Zeitung: Zukunft ohne Lobby, Kommentar zur Rentenpolitik von Stephan Lorz
Frankfurt (ots)
Es passiert nun, wovor uns die Demografen schon vor vielen Jahren gewarnt haben: Gegen Ende des laufenden Jahrzehnts wird eine strukturelle Mehrheit der über 50-Jährigen den Ton in der Politik angeben. Es geht dann mehr um soziale Absicherung als um Zukunftsinvestitionen. Nicht anders sind die jüngsten Vorstöße von CSU-Chef Horst Seehofer und SPD-Chef Sigmar Gabriel einzuordnen. Zwar schieben sie die Sorge vor Altersarmut vor, wenn sie die Stärkung der gesetzlichen Rente oder gar die komplette Rückkehr zum Umlagesystem fordern, in Wirklichkeit aber umwerben sie nur die geburtenstarken Jahrgänge, die in wenigen Jahren in die Rente drängen, weil dieses Wählerpotenzial so entscheidend ist.
Wer aber mehr Geld in die Rentenkassen lenkt, betreibt eine Umverteilung von Jung nach Alt. Denn die demografische Entwicklung, die zur Reform der gesetzlichen Rente geführt hat, läuft ja weiter: Es gibt immer weniger Beitragszahler, die im Umlageverfahren oder über Steuern immer mehr Rentner finanzieren müssen. Bereits die jüngsten Reformrücknahmen halsen den Jüngeren enorme Zukunftslasten auf. Ökonomen beziffern die Mehrkosten bis 2030 auf 160 Mrd. Euro.
Auch unter Gerechtigkeitserwägungen wäre eine Rückabwicklung verwerflich. Denn mit den Reformen wurden ja gerade jene Kohorten belastet, welche die demografische Schieflage mitverursacht haben, weil sie zu wenig Beitragszahler in die Welt gesetzt haben. Nun mit "sozialer Gerechtigkeit" zu argumentieren, um die gesetzliche Rente zu erhöhen, ist insofern dreist.
Der Ruf nach einer Rückabwicklung der Reformen ist zudem fatal für die Zukunftsfähigkeit unseres Gemeinwesens. Der geschlossenen Phalanx aus CSU und SPD wird Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble nicht lange Widerstand leisten können. Für Mehrausgaben etwa für einen überfälligen Richtungswechsel in der Forschungspolitik fehlt dann das Geld - auch, weil sich für die Zukunft nie eine so starke Lobby zusammenfindet wie für die Rente. Dabei wäre das Geld dafür viel besser angelegt. Deutschland droht schließlich technologisch den Anschluss zu verlieren, weil Forschungsinvestitionen unterbleiben und ins Ausland verlagert werden. Ökonomen beklagen, dass andere Staaten Forschungsleistung ihrer Industrie längst stärker unterstützen. Auch hier mehr Steuergeld dafür aufzuwenden, wäre also eine echte Zukunftsinvestition. Sie stärkt den Standort, legt den Grundstock für neues Wachstum und sichert nebenbei auch die Altersvorsorge.
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