Börsen-Zeitung: Handle und gewinne, Marktkommentar von Dietegen Müller
Frankfurt (ots)
Montesquieu war nicht nur ein Verfechter des freien Handels, er vertrat auch die Auffassung, dass Nationen, wenn sie miteinander in Kontakt kommen, entweder miteinander kämpfen oder handeln - und wenn sie kämpfen, beide verlieren, wenn sie aber handeln, beide gewinnen.
Nun ist das Errichten von Handelshürden noch kein Krieg und auch nichts Neues - unter den G20-Ländern waren es laut World Trade Organization zwischen Mai und Oktober im Durchschnitt rund 17 neue pro Monat. Doch ist zumindest die Rhetorik seit der Wahl des Republikaners Donald Trump zum nächsten US-Präsidenten spürbar schärfer geworden: Sein Vorhaben aus dem Wahlkampf, an der Grenze zu Mexiko eine Mauer zu bauen, klingt nach, und unter "America first" lässt sich alles Mögliche packen, nicht zuletzt die Androhung hoher Importzölle bei Arbeitsplatzverlagerungen ins Ausland. Solche tief in geltende Rechte eingreifenden Maßnahmen verunsichern auch die Exportindustrie in Deutschland.
Für den Kapitalmarkt ist das größte Problem von Trump und seiner Truppe die Unberechenbarkeit. Ernstzunehmende Stimmen wie jene des US-Investors Howard Marks von Oaktree halten einen kräftigen, anhaltenden Schub für die US-Wirtschaft durch stimulierende Maßnahmen einer Regierung Trump dabei für durchaus möglich. Dies würde steigende Auftragseingänge auch für deutsche Firmen bedeuten - ja wohl einen veritablen Exportboom einläuten. Für die stark von den USA abhängigen Branchen verspräche dies sprudelnde Gewinne. Laut dem Ifo-Institut sind dies der Automobil- und Maschinenbau und die Sektoren Pharma, elektrische Güter sowie Medizin- und Messtechnik.
Es geht um keine Kleckerbeträge: 2014 erarbeiteten die Töchter deutscher Unternehmen in den USA rund 344 Mrd. Euro Umsatz. Laut dem Bundesverband der Deutschen Industrie sind rund 5000 deutsche Unternehmen in den USA tätig. Doch was, wenn es anders käme? Ein namhafter Investmentstratege einer deutschen Bank formulierte jüngst: "Auch die USA sind auf das hoch spezialisierte Know-how von deutschen Maschinenbauern oder Zulieferern angewiesen." Obwohl es gute Argumente gibt, dass selbst im Fall des grassierenden Protektionismus unter Trump deutsche Exporteure weitgehend ungeschoren bleiben dürften, nimmt der Aktienmarkt einen solchen Boom in der Bewertung nicht vorweg.
Die von der Hoffnung auf Infrastruktur-Investitionen und Steuererleichterungen beflügelte "Trump-Rally" ist auf dieser Seite des Großen Teichs, gemessen an Dax und MDax, bereits vorbei: Beide Indizes lagen am Freitag unter dem Niveau des Wahltags am 8. November. Demgegenüber liegt der US-Markt noch höher - dies bei gleichzeitig gestiegenem Dollarkurs. Hier mögen auch Sorgen um den Zustand der Währungsunion nach Volksentscheiden in Österreich und Italien hineinspielen.
Doch selbst harte Eingriffe in bestehende Wertschöpfungsketten sind derzeit nicht völlig auszuschließen - auch wenn sich dies am Aktienmarkt in den Bewertungen derzeit nicht reflektiert. Sie könnten sozusagen durch auch die Hintertür - über andere Staaten - Schaden anrichten. So ist es möglich, dass sich nach einer Provokationsspirale der eine oder andere Handelspartner - nicht zuletzt auch China - zu einseitigen Maßnahmen veranlasst sähe. Dies könnte unerwartet auch deutsche Unternehmen treffen, die gerade mit viel Mühe im Reich der Mitte ihre Präsenz aufgebaut haben und kaum bereit sein dürften, ihre Zelte rasch wieder abzubauen.
Ein solches Worst-Case-Szenario dürfte zwar unwahrscheinlich sein, da niemand dadurch gewinnen würde. Doch bereits eine moderat nationalistische US-Wirtschaftspolitik kann ihre Spuren hinterlassen. Die Deutsche Bank etwa sieht schwierige Zeiten für europäische Energieunternehmen anbrechen, da Trump die Produktion von Rohöl und Kohle ausweiten dürfte. Die jüngste Ölpreis-Rally dürfte sich da als kurzlebig erweisen.
Das fehlende Bekenntnis zum Klimaschutz hat auch die Aktien von Erneuerbare-Energie-Zulieferern gedrückt. Unternehmen mit starkem Bezug zu Mexiko leiden ebenfalls: Laut Société Générale zählen der Minenkonzern Fresnillo, die spanischen Banken Santander und BBVA sowie der Bierriese AB Inbev dazu.
Handel kennt keine Freundschaft, heißt es - und Sorglosigkeit in Bezug auf die erwähnten Branchen und Titel ist nicht angezeigt. Der zu erwartende rhetorische Lärm kann auch die eine oder andere gute Kaufgelegenheit bieten. Nur könnte dann im Einzelfall eine sehr hohe Risikoprämie verlangt werden.
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