Börsen-Zeitung: Zurück in die Vergangenheit, Kommentar zu Italien von Thesy Kness-Bastaroli
Frankfurt (ots)
Italiens Regierungschef Matteo Renzi hat nach rund 1000 Tagen Amtszeit das Handtuch geworfen. Den jüngsten Meldungen zufolge wird Renzi aber nicht sofort zurücktreten. Der Senat muss noch über das Stabilitätsgesetz abstimmen. Sofort danach wird Renzi Abschied nehmen. Grund für den Rückzug ist die Volksabstimmung über die Verfassungsreform am Sonntag. Nur 40% aller Wähler stimmten für, 60<ET>% gegen die Reform. Da Renzi selbst seine politische Karriere an die Reform geknüpft hatte, artete das Referendum zum Politikum "für oder gegen Renzi" aus. Sein Kalkül, dass Italiens Wirtschaft wieder Fuß fasst, die Reformen das sozioökonomische Klima verbessern und das Land durch die Verfassungsreform regierbarer wird, ging nicht auf. Die Mehrheit der Italiener will alles beim Alten belassen.
Der 41-Jährige Regierungschef will weiterhin in der Politik bleiben und als Sekretär der größten Partei des Landes - zumindest bis zum nächsten Parteikongress - für mehr Einheit innerhalb der PD sorgen. 2018 geht die Legislaturperiode zu Ende. Spätestens bis dahin will Renzi mit seiner Partei bestens gerüstet sein.
Gewinner des Referendums ist der Komiker und Gründer der Protestbewegung Movimento 5 Stelle (M5S), Beppe Grillo. Der Schreihals der Nation wird trotz seiner 68 Jahre nicht müde, gegen das System, die Politiker und den Euro zu wettern. Als Kabarettist genießt er Narrenfreiheit. So verspricht er etwa die Erlösung aller Übel mittels des Internets. Diese Freiheit wendet er auch auf die Politik an und forderte die Italiener auf, "mit dem Bauch und nicht mit dem Kopf zu wählen, um ihrer Wut gegen das System Ausdruck zu verleihen". Wenn das die Zukunft der drittgrößten Wirtschaftsmacht Europas ist, na dann viel Glück.
Grillo fordert ebenso wie die rechtspopulistische Lega Nord sofortige Neuwahlen. Das aber ist unmöglich, da Italien über kein Wahlgesetz verfügt, das in beiden Kammern gültig ist. Staatspräsident Sergio Mattarella wird sofort nach Renzis Rücktritt einen Politiker mit der neuen Regierungsbildung beauftragen. Das Übergangskabinett soll die nötigen Änderungen am Wahlgesetz verabschieden. Es kursieren die Namen von Senatspräsident Pietro Grasso und Finanzminister Pier Carlo Padoan.
Bleibt noch Silvio Berlusconi mit seiner Forza Italia als Zünglein an der Waage: Berlusconi, der gemeinsam mit Renzi die Verfassungsreform verabschiedet hatte, gelang noch rechtzeitig die Kehrtwende: Er wandte sich gegen die Reform. Nun steht er ebenfalls als Gewinner da und ist als möglicher Koalitionspartner der PD im Gespräch.
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