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Börsen-Zeitung: Minus 1 Prozent im Visier, Marktkommentar von Kai Johannsen

Frankfurt (ots)

Wer sich am Staatsanleihemarkt der Eurozone das kurze Laufzeitenende der Kurven ansieht, kann so langsam den Eindruck bekommen, dass es wirklich nichts mehr gibt, was den Markt davon abhält, immer weiter in die Tiefe abzugleiten. Und wenn es in diesem Tempo in den nächsten Tagen weitergeht, dann wird die nächste Hürde genommen. Dieser Meilenstein ist die "Minus-1-Prozent-Marke" im zweijährigen Laufzeitenbereich der Bundeswertpapiere, d.h. bei den Bundesschatzanweisungen, wie sie korrekt heißen. Lässt sich jetzt immer noch lapidar sagen, dass der Markt nur im Basispunktebereich im Minus liegt, wäre dann zu konstatieren, dass der erste volle Prozentpunkt im Negativterrain erreicht wird. Das ist ein Wort.

Über ein halbes Jahrzehnt

Vor wenigen Tagen stellten die Zweijährigen des Bundes ihren vorläufigen Rekord mit minus 0,964% am Sekundärmarkt auf. Minus 1% ist seitdem immer in Sichtweite geblieben. Auch am Primärmarkt wurde in dieser Hinsicht quasi zum Sekundärmarkt "aufgeholt": Am Dienstag der gerade abgelaufenen Woche standen die Bundesschatzanweisungen auf dem regulären Auktionsprogramm. Zur Rendite von minus 0,92% gingen sie an die Anleger. Das bedeutet: Die Investoren zahlten nun schon fast 1% dafür, damit sie dem Bund noch Geld leihen dürfen. Fast auf den Tag genau fünf Jahre und drei Monate geht das nun schon so mit den negativen Anleiherenditen/Zinsen. Das hatte anfangs wohl kaum einer für möglich gehalten. Bei der Auktion in der abgelaufenen Woche war es ebenfalls ein Rekord, der aufgestellt wurde. Es war die tiefste Rendite, die jemals in einer Auktion über alle Laufzeitklassen der nominalen Papiere hinweg gemessen wurde. Im Vergleich zu der vorangegangenen Versteigerung der Zweijahrespapiere ergab sich ein deutlicher Sprung tiefer ins Minus. Denn als diese Papiere im Januar dieses Jahres unter den Hammer kamen, gingen sie noch zu einer zu berappenden "Parkgebühr" von 0,75% weg. Sollte den zweijährigen Titeln der Sprung über die minus 1% gelingen und sollte sich der Markt dort halten können, wird auch am Primärmarkt wohl bald die 1% im Negativbereich markiert.

Doch es sind längst nicht mehr nur die deutschen zweijährigen Anleihepapiere - quasi die "Pioniere der Minusrendite" - , die so tief im negativen Bereich liegen. Die soliden Pendants aus den Niederlanden (ebenfalls Triple-A), aber auch die Titel aus Finnland (Doppel-A-Rating) liegen ebenfalls schon sehr tief im Minus. Jenseits der Marke von minus 0,50%, d.h. tiefer als einen halben Prozentpunkt, notieren auch die zweijährigen Titel der Second Tiers Frankreich und Belgien.

Wirkung zeigen hier in erster Linie die Staatsanleihekäufe der Europäischen Zentralbank, das sogenannte Quantitative Easing. Im Dezember vorigen Jahres hoben die europäischen Währungshüter zwei Beschränkungen auf. Zum einen dürfen Papiere mit Restlaufzeiten von weniger als zwei Jahren gekauft werden. Vorher wurde ausschließlich im Laufzeitenband von zwei bis 30 Jahren gekauft. Zum anderen fiel auch die Renditeuntergrenze - in Form des Einlagensatzes von minus 0,40% -, bis zu der gekauft werden durfte, komplett weg. Im Handel wird herumgereicht, dass die Bundesbank aufgekaufte Staatsanleihen - in diesem Fall Bundesanleihen - in der Leihe zur Verfügung stellt. Anhand der ISIN ist ablesbar, dass dazu auch diese sehr kurzen Laufzeiten (Fälligkeit 2018) gehören. Somit müssen die Bundesbanker im Umkehrschluss in diesen Anleihen aktiv geworden sein. Und diese Käufe, die die EZB noch mal ausgedehnt hat auf nunmehr insgesamt (über alle Anleihegattungen hinweg gerechnet) knapp 2,3 Bill. Euro, haben durchaus das Potenzial, die Renditen noch weiter in den Keller zu drücken. Somit sollte auf absehbare Zeit auch die Marke von minus 1% gerissen werden.

Aber es sind nicht nur die Käufe der Zentralbanken, die die Papiere tiefer in den Negativbereich befördern. Marktteilnehmer wie Assetmanager, Pensionsfonds, Versicherer und auch Hedgefonds steuern die sicheren Häfen des Bundes, der Niederländer oder der Finnen an. Die aufkommenden politischen Risikofaktoren sind ein wesentlicher Treiber. Hierzu zählen die anstehenden Wahlen in den Niederlanden, in Frankreich, aber auch in Deutschland. Aber auch die Sorgen vor einer allzu protektionistischen Wirtschaftspolitik des US-Präsidenten Donald Trump veranlassen die Anleger, in sichere Papiere zu gehen. Hinzu kommen Befürchtungen über die Stabilität der Banken in Italien, die manchen Investor das Wort Sicherheit groß schreiben lassen. Umkehrschluss: Sprunghaft höhere Renditen sind derzeit offenkundig nicht in den Karten.

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