Ein verlorenes Jahr, Kommentar zur Commerzbank von Anna Sleegers
Frankfurt (ots)
Nun auch noch das: In aller Öffentlichkeit kippen Teile des Aufsichtsrats der Commerzbank einen Sitzungstermin zur künftigen Strategie. Die Arbeitnehmervertreter fühlen sich unzureichend informiert, weil der Vorstand ihnen auch zwei Tage vor dem Sitzungstermin keinerlei Informationsmaterial zur Verfügung gestellt hat. Laut einem Flugblatt der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, das am Dienstag bei der Commerzbank kursierte, fürchten sie, dass der Finanzinvestor Cerberus und der Bund als Großaktionäre gemeinsame Sache machen könnten, um dem Institut eine Strategie gegen die Interessen der Belegschaft aufzuzwingen.
Die Aktion reiht sich nahtlos in die Krisensymptome ein, die das Institut schon seit Monaten an den Tag legt: Erst schlittert das Institut operativ in die roten Zahlen, noch bevor sich die Effekte der Covid-19-Pandemie in Wertberichtigungen und Kreditausfällen niederschlagen können. Dann beginnt Cerberus, bislang nicht unbedingt als aktivistischer Investor verschrien, den Aufsichtsratschef mit Briefen zu piesacken. Dabei kommt heraus, dass der im vergangenen Herbst mit großem Buhei angekündigte Stellenabbau irgendwo im Dickicht der betrieblichen Mitbestimmung versandet ist. Innerhalb der Belegschaft treiben die Spekulationen über etwaige Neubesetzungen von Top-Management-Funktionen bunte Blüten. Und dann bringt der Vorstand die offenbar mächtige Arbeitnehmerseite der Bank auch noch derart gegen sich auf. Und das nur wenige Wochen bevor er die Investoren mit einer überarbeiteten Strategie besänftigen wollte.
Jetzt rächt es sich, dass die Commerzbank nach dem Ende der Fusionsgespräche mit der Deutschen Bank keinen Neustart gewagt hat. Wahrscheinlich wäre der Fusionsbefürworter Martin Zielke dafür nicht der richtige Mann gewesen. Anders als Christian Sewing, der nur wenige Wochen nach dem Ende der Gespräche die Deutsche Bank konsequent auf die Bereiche zurechtstutzte, in denen sie wirklich gut ist, setzte Zielke im vergangenen, einem verlorenen Jahr auf eine behutsame Überarbeitung der Strategie. Mit niedriger gesteckten Zielen freilich, da ja schon die alten Pläne an den widrigen Marktbedingungen gescheitert waren.
Ironischerweise stellen die vermeintlichen Klassenfeinde Verdi und Cerberus jetzt unisono die Frage, wie die Commerzbank künftig eigentlich mehr Geld verdienen will. Aus Sicht der Mitarbeiter wie der Aktionäre wäre es ein Treppenwitz, wenn sich die Antwort darauf auch ohne Großfusion wieder einmal darauf beschränken würde, im großen Stile Stellen abzubauen.
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