Bitcoin vor hartem Kampf, Marktkommentar von Alex Wehnert
Frankfurt (ots)
Nach den Turbulenzen der vergangenen Wochen ist am Kryptomarkt eine trügerische Ruhe eingekehrt. So kletterte die führende Cyberdevise Bitcoin nach ihrem jüngsten Rücksetzer auf knapp 26000 Dollar - was den niedrigsten Stand seit Ende 2020 bedeutete - gegen Ende der Handelswoche zwar zeitweise wieder über die Marke von 30000 Dollar. Doch unter den Teilnehmern an den internationalen Finanzmärkten hält sich angesichts der geopolitischen und makroökonomischen Unsicherheit eine hartnäckige Risikoscheu, was insbesondere die Aussichten für Kryptowährungen trübt. Denn dass Cyberdevisen ein äußerst riskantes Investment darstellen, hat der Kollaps des Stablecoins TerraUSD (UST) den Anlegern erneut vor Augen geführt.
UST sollte Wertstabilität gewährleisten, verlor die Bindung zum Dollar aber völlig. Weil die Organisation hinter dem Stablecoin große Bitcoin-Reserven hält und diese anzapfen musste, um dem eigenen System Liquidität zuzuführen, geriet auch die führende Kryptowährung unter Druck. Inzwischen hat die Gesellschaft einen Wiederaufbauplan für den Betrieb ihrer Blockchain vorgelegt, in dessen Zuge UST wohl begraben werden soll.
Bei Investoren ist indes die Sorge entstanden, dass es auch bei weiteren auf Wertstabilität ausgelegten Token zu Verwerfungen und somit schließlich zu einem Crash des Gesamtmarkts für digitale Assets kommen könnte. Denn Anleger nutzen Stablecoins, um Gewinne aus dem Kryptohandel abzusichern, ohne von der Sphäre der Cyberdevisen in die Welt der Fiat-Währungen wechseln zu müssen. In der Folge kommt der führende Stablecoin Tether auf tägliche Handelsvolumen, die jene von Bitcoin weit übersteigen. Die wertstabilen Token sind also durchaus systemrelevant für das Digital-Assets-Segment.
In diesem Zusammenhang ist gerade der enorme Investorenansturm am Kryptomarkt zum Problem geworden. Allein 2021 ist laut dem Vermögensverwalter Wisdom Tree mehr Risikokapital in neue Protokolle und dezentralisierte Anwendungen geflossen als in den vorangegangenen sechs Jahren zusammen.
Diese neuen Technologien und die Unternehmen dahinter hätten sich aber noch nie in einer extrem feindlichen Umgebung bewähren müssen. Aufgrund ihrer mangelnden Resilienz sind sie also anfälliger für Fehlschläge als etablierte Systeme. Und eben weil das Digital-Asset-Segment so stark gewachsen ist, nehmen auch die Marktverwerfungen beständig größere Ausmaße an.
Für vermeintlich gefestigte Krypto-Assets wie Bitcoin hat sich der Einstieg breiterer Anlegergruppen aber auch als direkte Belastung herausgestellt. Denn institutionelle Investoren handeln im Gegensatz zu den Krypto-Händlern der ersten Stunde nicht ideologisch, sondern passen ihre Positionen entsprechend der Risikoneigung an. Dies wird derzeit an der Chicago Mercantile Exchange (CME) sichtbar. So ist das Open Interest in Bitcoin-Long-Futures an der weltgrößten Terminbörse, das als Indikator für das institutionelle Engagement gilt, zuletzt scharf zurückgegangen. Für die Kategorie der Assetmanager betrug es Mitte April gemäß einer Auswertung von Berichten der Commodities Futures Trading Commission durch den Datenanbieter The Block 1,3 Mrd. Dollar. Am 10. Mai - also dem Tag, an dem der UST-Crash ins Rollen kam - belief es sich noch auf 890 Mill. Dollar.
Im historischen Vergleich fällt dieser Wert aber enorm hoch aus. Damit besteht für die kommenden Wochen und Monate durchaus noch Rückschlaggefahr, wenn sich das Anlegersentiment angesichts stark eingetrübter Konjunkturaussichten und der restriktiveren Geldpolitik weiter verschlechtert. Hinzu kommen dürfte ein verschärfter regulatorischer Fokus in Reaktion auf den jüngsten Stablecoin-Crash, wie er sich bereits in Großbritannien abzeichnet. Der eingeschworenen Gemeinschaft der Krypto-Enthusiasten, die von Cyberdevisen als Währung der Zukunft überzeugt sind und die Kurse immer wieder zu stützen suchen, dürfte also ein harter Kampf bevorstehen.
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