Goodbye Big Dog, Kommentar zu Boris Johnson von Andreas Hippin
Frankfurt (ots)
Man weiß nicht, wer Boris Johnson klargemacht hat, dass es keinen Sinn mehr hat, sich noch länger an die Macht zu klammern. Doch er ist gehört worden: Der britische Premierminister hat kurz vor der parlamentarischen Sommerpause seinen Rücktritt mitgeteilt. Am Vorabend hatte er noch angekündigt weiterzumachen. Zugleich erklärte er jedoch, dass er bis zur Wahl eines neuen Parteichefs im Herbst kommissarisch im Amt bleiben werde, was bei seinen innerparteilichen Gegnern Empörung auslöste.
Gut möglich, dass sie ihn noch schneller aus 10 Downing Street befördern. Dagegen spricht, dass es wohl eine Einigung mit Graham Brady, dem Vorsitzenden des 1922-Komitee, das für die Wahl des Nachfolgers zuständig ist, gegeben hat. Er hatte schon Theresa May vermittelt, dass ihre Zeit an der Parteispitze abgelaufen war. Er dürfte Johnson klargemacht haben, dass es eine Mehrheit für eine erneute Vertrauensabstimmung gegeben hätte, die sehr zu seinen Ungunsten ausgefallen wäre.
Johnson mag den Brexit über die Bühne gebracht und das Land einigermaßen gut durch die Pandemie gebracht haben. Doch in den vergangenen Monaten folgte Skandal auf Skandal, was die Abgeordneten seiner Partei um ihre Wiederwahl bangen ließ. Sein Team versuchte mit PR-Maßnahmen wie "Operation Save Big Dog" dagegenzuhalten. Dabei zeigte sich, dass Johnson (Big Dog) konservative Inhalte nur noch aus taktischen Gründen auf den Tisch bringt. Wenn es um den Selbsterhalt ging, wurden kläffenden Hinterbänklern ein paar Brocken hingeworfen, damit sie wieder eine Weile stillhalten. Doch ihre Angst vor dem Mandatsverlust ließ sich auf diese Weise nicht dauerhaft bändigen. Goodbye Big Dog.
Johnson war schlau genug, sich eine kleine Dolchstoßlegende zurechtzulegen. Er trete zurück, weil die Tory-Fraktion im Unterhaus der Meinung gewesen sei, dass die Partei einen neuen Führer brauche, sagte er vor Claqueuren und Kameras. Das ermöglicht ihm einen einigermaßen würdevollen Abgang, ohne Fehler zugeben zu müssen.
Die Opposition wird sich über ihren vermeintlichen Sieg nicht lange freuen können. Denn mit Johnson geht ihnen ihr wichtigstes Thema verloren. Nun wären Ideen gefragt, zumal man es mit einer Regierungspartei zu tun hat, die zwar durch ihren Chef gehandicapt war, inhaltlich aber eine ganze Menge zu bieten hat. Die Kandidaten für Johnsons Nachfolge haben jedenfalls allesamt mehr Charisma als Labour-Chef Keir Starmer.
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