Alle Storys
Folgen
Keine Story von Börsen-Zeitung mehr verpassen.

Börsen-Zeitung

Immer mehr Krisensignale, Marktkommentar von Kai Johannsen

Frankfurt (ots)

Der Kapitalmarkt sendet derzeit immer mehr Krisensignale in Sachen Konjunktur, man darf zu Recht von Rezessionssignalen sprechen. Und das R-Wort macht auch unter Analysten und Marktakteuren immer mehr die Runde, ablesbar an den täglichen und wöchentlichen Marktausblicken. Die Rezessionsangst löst die Inflationsfurcht als größte Sorge an den Märkten ab, die stets sehr vorausschauend blicken - meinen zumindest viele.

Krisensignale kommen gleich aus drei Marktsegmenten. Erstens: der Devisenmarkt. Der Euro nähert sich der Parität, im Grunde genommen handelt er mit 1,007 Dollar je Euro praktisch schon auf diesem Niveau. Ein Euro ist damit ein Dollar. Der tiefste Stand seit rund 20 Jahren. Und woran liegt es? Die US-Notenbank ist der Europäischen Zentralbank (EZB) in Sachen Zinsanhebungen salopp gesagt einen oder zwei Schritte voraus. Das stärkt den Dollar und bedeutet umgekehrt eine Schwächung der Gemeinschaftswährung Euro, abzulesen eben daran, dass der Euro nun gleich einen Dollar wert ist und nicht mehr mehr. Und es ist durchaus vorstellbar, dass der Euro noch unter diese Marke abrutschen wird. Der Grund dafür liegt auf der Hand. Hatten doch viele vor einigen Monaten erwartet, dass die EZB zügiger reagieren wird und den Leitzins anhebt, werden diese Erwartungen, was das Ende der Fahnenstange betrifft, nun immer mehr zurückgeschraubt. Will heißen: Die EZB hebt den Leitzins nun doch nicht mehr so stark an, wie viele es im Markt bis vor einigen Wochen noch erwartet hatten. Das bedeutet aus Währungssicht erst mal einen Vorteil für den Dollar, wenn die Fed bei ihrem restriktiveren Kurs bleibt. Für sich genommen sollte man das auch mal in Zweifel ziehen, schließlich wird auch die US-Wirtschaft - in welchem Ausmaß auch immer - vom Ukraine-Krieg betroffen sein.

Zweitens: die Aktienmärkte. Derzeit rangiert der Dax zwischen 12 000 und 13 000 Punkten. Schwache Tage sind jüngst häufiger zu beobachten gewesen. Über den Märkten schwebt derzeit das Damoklesschwert Gaslieferstopp aus Russland. Und das würde in Sachen Rezession sicherlich den garantierten Eintritt derselben in der europäischen Wirtschaft - und nicht in nur in dieser - bedeuten. Eine weitreichende Energiekrise, die über das Maß hinausgeht, das heute in manchen Szenarien befürchtet wird, hat in weiten Teilen der Wirtschaft nicht nur deutliche Abschwächungen, sondern womöglich auch den Stillstand zur Folge. Umsatz- und Gewinneinbrüche wären die Konsequenz, auf die Entlassungen, Hilfsanträge, staatliche Unterstützungen, aber auch Insolvenzen folgen würden. Was dieses Szenario mit den Anteilscheinen der Unternehmen macht, muss nicht wirklich erklärt werden. Dax unter 10 000 Punkten ist dann ein sehr realistisches Szenario, zu dem es hoffentlich nicht kommt.

Drittens: die Anleihemärkte. Es hatten so viele erwartet, dass nun der deutliche Renditeschub nach oben kommt. 2 % und mehr bei der zehnjährigen Bundrendite, endlich wieder positive Zinsen, die auch was einbringen. Bis auf knapp vor 1 % ist der Satz in der gerade abgelaufenen Woche im zehnjährigen Bereich aber schon wieder abgerutscht. Fast 50 % des Anstieges waren damit schon wieder zunichtegemacht. Am Anleihemarkt hat das Wort Rezession mit Sicherheit eine größere Häufigkeit in der Erwähnung in den morgendlichen Marktausblicken als das Wort Inflation. In den Vereinigten Staaten ist die Zinskurve auch immer wieder invertiert. Das allein war in den vergangenen Dekaden ein sehr verlässlicher Signalgeber für die konjunkturelle Entwicklung. Denn den Rezessionen in der Vergangenheit gingen in der Regel inverse Zinsstrukturkurven voraus, d.h. die langfristigen Anleihezinsen lagen unter den kurzfristigen Bondrenditen. Damit preist der Markt ein, dass die Zentralbank in Antizipation einer wirtschaftlichen Abschwächung auf längere Sicht die Zinsen senken muss, um der Wirtschaft unter die Arme zu greifen.

Fazit: Euro auf Paritätskurs zum Dollar, Aktienmärkte nervös und wacklig und Staatsanleihenmärkte, an denen die Renditen purzeln und Zinskurven invertieren. Das sind deutliche Signale.

Pressekontakt:

Börsen-Zeitung
Redaktion

Telefon: 069--2732-0
www.boersen-zeitung.de

Original-Content von: Börsen-Zeitung, übermittelt durch news aktuell

Weitere Storys: Börsen-Zeitung
Weitere Storys: Börsen-Zeitung
  • 07.07.2022 – 19:35

    Goodbye Big Dog, Kommentar zu Boris Johnson von Andreas Hippin

    Frankfurt (ots) - Man weiß nicht, wer Boris Johnson klargemacht hat, dass es keinen Sinn mehr hat, sich noch länger an die Macht zu klammern. Doch er ist gehört worden: Der britische Premierminister hat kurz vor der parlamentarischen Sommerpause seinen Rücktritt mitgeteilt. Am Vorabend hatte er noch angekündigt weiterzumachen. Zugleich erklärte er jedoch, dass er bis zur Wahl eines neuen Parteichefs im Herbst ...

  • 06.07.2022 – 20:46

    Gekapert, Kommentar zur EU-Taxonomie von Andreas Heitker

    Frankfurt (ots) - Die Entscheidung der EU-Kommission, Investitionen in die Atom- oder Gaswirtschaft einen grünen Stempel zu verpassen, um ihnen bessere Finanzierungsoptionen zu geben, steht juristisch auf äußerst wackeligem Grund: Denn zum einen hat die Behörde hierfür einen Delegierten Rechtsakt genutzt, der eigentlich nur zur Regelung von technischen Details vorgesehen ist, aber beileibe nicht, um hochpolitische ...

  • 05.07.2022 – 20:45

    Dax 10.000, Kommentar zum Aktienmarkt von Werner Rüppel

    Frankfurt (ots) - Nach einem miserablen Monat Juni sind die Kurse am deutschen Aktienmarkt weiter nach unten gerutscht. So ist der Dax am Dienstag im Verlauf auch unter das im März erreichte Jahrestief bei 12424 Punkten gefallen. Es tobt der Bär. Und Altmeister Jens Ehrhardt sagt: "Bei einem Gas-Lieferstopp wäre sogar ein Dax-Sturz auf 10.000 Punkte möglich." Ist die Situation wirklich so dramatisch? Zunächst einmal ...