Börsen-Zeitung: Wo ist Ackermann? Kommentar von Claus Döring
Frankfurt (ots)
Es mag sein, dass der Postbank-Börsengang für die Deutsche Bank als Konsortialführer vor dem Hintergrund ihres weltweiten Emissionsgeschäfts keine große Nummer ist, zumal sie selbst eifrigst das Volumen herunterredet. Es mag auch sein, dass der deutsche IPO- Markt für die Investmentbanker des Geldkonzerns angesichts der Volumina im übrigen Europa und weltweit ohnedies eine Quantité negligeable ist, die besondere Mühen nicht lohnt. Und es mag sein, dass selbst die komplette Übernahme der Postbank für das Retailgeschäft des Konzerns nur eine begrenzte, weil nationale Bedeutung gehabt hätte und mit Blick auf den großen, noch geplanten Wurf nicht mehr als eine strategische Randnotiz gewesen wäre. Aber es mag nicht nur sein, sondern ist leider so, dass die Deutsche Bank in ihrem Heimatmarkt ihre Reputation aufs Spiel setzt.
Es mag sein, dass man die Fettnäpfchen von London aus nicht sieht und den Dilettantismus in Sachen Postbank-IPO nicht wahrnimmt. Es mag auch sein, dass der seit Anfang des Jahres laufende Mannesmann- Prozess Kapazität und Aufmerksamkeit von Vorstandssprecher Josef Ackermann und dessen Mannschaft in einer Weise beansprucht, dass für andere Themen zu wenig Zeit bleibt. Es mag aber nicht nur sein, sondern ist leider so, dass die Deutsche Bank von außen als beinahe kopf- und führungslos erscheint. Mitglieder des Aufsichtsrats geben von der Kapitalseite wie auch von der Arbeitnehmerseite, gefragt wie auch ungefragt Statements zu Themen, zu denen sich der Vorstandssprecher zu Wort melden müsste. Wann wird Ackermann seine Mannen zur Ordnung rufen?
Es mag sein, dass die Zukunft der Deutschen Bank sich nicht im deutschen Markt entscheidet. Es mag auch sein, dass der Heimatmarkt immer noch eher als Kostenblock denn als Profitbringer angesehen wird. Es mag aber nicht nur sein, sondern ist (leider?) so, dass der Wert der Deutschen Bank vom Erfolg und vom Ansehen im Heimatmarkt abhängt.
Deshalb wäre die Hauptversammlung morgen in Frankfurt der richtige Ort zur richtigen Zeit für Josef Ackermann, Pannen der vergangenen Wochen aufzuklären und zu entschuldigen, Spekulationen aus der Welt zu räumen und bei Aktionären wie auch Kunden um Vertrauen zu werben. Denn der geschäftliche Erfolg der Bank of the Year 2003 kann sich auch im laufenden Jahr sehen lassen. Viele sehen ihn aber nicht, weil eine stümperhafte Kommunikation mit den Märkten und der Öffentlichkeit den Blick auf die Deutsche Bank trübt. Wer sich den Vorstand und das Managementteam so auf seine Person hin zuschneidet, wie das bei der Deutschen Bank der Fall ist, muss Führung zeigen. Wo ist Ackermann?
(Börsen-Zeitung, 1.6.2004)
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