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Börsen-Zeitung: Kommentar von Michael Flämig: Siemens stellt die Weichen

Frankfurt (ots)

Siemens hat zuletzt die Schlagzeilen beherrscht.
Die Sonderregeln für zwei Fabriken lösten eine Debatte über die
Rückkehr zur 40- Stunden-Woche aus. Die Intensität der
Auseinandersetzung zeigte wieder einmal, welche Bedeutung Siemens für
Deutschland hat. Insofern kommt der jüngsten Personalentscheidung
eine Bedeutung zu, die über die Betriebsgrenzen hinausgeht: Klaus
Kleinfeld beerbt Anfang 2005 den Vorstandsvorsitzenden Heinrich v.
Pierer. Der 46- Jährige hat die Chance, ebenso wie sein Förderer, die
Entwicklung von Siemens über gut ein Jahrzehnt zu prägen und ein
Botschafter für den Standort Deutschland zu werden.
Das Rennen an die Siemens-Spitze hatte sich auf die beiden
Kandidaten Kleinfeld und den Europa-Vorstand Johannes Feldmayer
zugespitzt. Dass der Marathonläufer Kleinfeld die Nase vorne haben
würde, war zuletzt erwartet worden. Überraschend blieb das Timing:
Pierer wird nicht erst in einem Jahr, wie unwidersprochen spekuliert
worden war, in den Aufsichtsrat wechseln. Fintenreich bis hart an die
Grenze des Erlaubten ist es Siemens gelungen, die „N-Frage“ nicht zu
einer Diskussion ausarten zu lassen, die Nachfolger demontiert. Aus
Corporate-Governance-Gesichtspunkten ist der Wechsel vorbildlich:
Kein Amtsgericht, sondern die Aktionäre werden Pierer zum
Aufsichtsrat wählen.
Was bedeutet die Ernennung? Kleinfeld bringt nach dem Franken
Pierer eine gewaltige Portion angelsächsisch geprägte
Internationalität ein. Die US-Usancen in der Geschäftspolitik und am
Kapitalmarkt hat der gebürtige Bremer in den Vereinigten Staaten
ausführlich studieren können. Mehrere Jahre leitete er die dortige
Siemens- Landesgesellschaft. Die Vernetzung in Asien, die Pierer
vorweisen kann, muss er sich noch erarbeiten. Kleinfeld verkörpert
außerdem die Effizienzorientierung, die mittlerweile zur
Siemenskultur geworden ist. „Work hard, play hard“: So
charakterisierte er einmal selbst seinen Arbeitsstil, der im Übrigen
von einer hohen Kommunikationsfähigkeit geprägt wird.
Die Zusammenlegung der Kommunikationssparten IC Networks und IC
Mobile zu einem wahren Koloss mit 17 Mrd. Euro trägt bereits seine
Handschrift – schließlich verantwortete er zuletzt das Ressort im
Zentralvorstand. Auf absehbare Zeit sind damit keine weitergehenden
strukturellen Veränderungen verbunden, auch nicht mit der
Aufsichtsratssitzung Ende Juli. Doch die Fusion rechtfertigt sich vor
allem aus der Logik, die Netzwerksparten beider Bereiche zu
integrieren. Für das gesamte Produktspektrum, zu dem auch die Handys
gehören, entsteht damit neuer Handlungsspielraum. Einen Zwang gibt es
nicht, doch mehr Optionen.
(Börsen-Zeitung, 8.7.2004)
ots-Originaltext: Börsen-Zeitung

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