Börsen-Zeitung: Kommentar von Carsten Steevens zum Tarifabschluss im deutschen Bankgewerbe: Guter Abschluss
Frankfurt (ots)
Die Zahl der Öffnungsklauseln in den tariflichen Regelungen für das deutsche Bankgewerbe wächst weiter. 31-Stunden-Klausel, Vorruhestand, gleitende Arbeitszeit, Langzeitkonten, Samstagsarbeit inzwischen spricht die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi von mehr als zehn Sonderregelungen, zu denen sich mit dem neuen Tarifabschluss eine Härtefallklausel für angeschlagene Banken gesellt. Dass die Gewerkschaften schleichend die Kontrolle im Tarifprozess verlören, will die Arbeitgeberseite so nicht behaupten. Eher sei eine weitere Tür für flexiblere Regelungen im Sinne der Sicherung von Arbeitsplätzen aufgestoßen worden, heißt es diplomatisch. Immerhin aber können Banken, die in Schwierigkeiten geraten, künftig in tarifliche Regelungen eingreifen, ohne Tarifverhandlungen abzuwarten. Ein Tabu ist damit gebrochen.
Zwar müssen die Gewerkschaften als Tarifpartei von Leistungskürzungen überzeugt werden. Und auch der Umfang der möglichen Maßnahmen ist auf Basis des nun erreichten Abschlusses begrenzt. Doch wenn Vorstand und Betriebsrat einer Bank geschickt verhandeln und ein überzeugendes Konzept vorlegen, sind und hier liegt der Clou in erheblich kürzerer Zeit als bisher Einsparungen bei den Personalkosten von bis zu 8% möglich, ohne betriebsbedingt kündigen zu müssen. Das ist nicht von Pappe für eine Branche, die in den vergangenen drei Jahren mehr als 40000 Arbeitsplätze gestrichen hat.
Dass die diesjährigen Tarifverhandlungen nicht von Streiks beeinträchtigt wurden, zeugt von realitäts- und problembewusster Einstellung auf Gewerkschaftsseite, aber auch vom Wissen um Grenzen der Zumutbarkeit bei den Arbeitgebern. Kein Tarifkonflikt also wie im Jahr 2002, der sich begleitet von Arbeitsniederlegungen über acht Monate hinzog. Im Raum stand damals eine Absenkung des Fixgehaltes um bis zu 35%, um diesen Anteil für leistungsbezogene Vergütungen einsetzen zu können. Ein solch radikaler Schnitt, der den Banken in ihrem annus horribilis gut getan hätte, war nicht durchsetzbar, doch haben die Gewerkschaften die Kröte der anteiligen variablen Vergütung geschluckt. Dieser auf freiwilliger Basis vereinbarte Anteil steigt mit den nun fixierten zwei tariflichen Gehaltserhöhungen bis 2005 von 4 auf 7,5%, was ein Monatsgehalt ausmachen könnte. Unmut in den Belegschaften ist absehbar.
Doch kann dies nicht darüber hinwegtäuschen, dass ein vernünftiger Abschluss erreicht wurde. Die Phase des einschneidenden Stellenabbaus könnte vorbei sein, wenn nur der Status Quo erhalten bliebe und keine großen Übernahmen oder Fusionen mit Beteiligung deutscher Banken anstünden. Doch wer mag daran glauben?
(Börsen-Zeitung, 9.7.2004)
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