Börsen-Zeitung: Kommentar von Dieter Kuckelkorn zum Google-Börsengang: Google überspannt den Bogen
Frankfurt (ots)
Der Börsengang von Google sollte eigentlich ein Triumphzug für Sergey Brin und Larry Page werden. Verglichen mit anderen Initial Public Offerings (IPO) wollten die beiden erfolgsverwöhnten Unternehmensgründer mit einem eigenen Modell die Regeln und Praktiken an Wall Street umschreiben und zwar zum eigenen Profit. Denn mit dem gewählten Auktionsmodell wurden die seit einiger Zeit um realistischere Zuteilungspreise bemühten Investmentbanken weitgehend entmachtet, was in einer exorbitant hohen Preisspanne von 108 bis 135 Dollar je Aktie resultierte.
Brin und Page haben den Bogen eindeutig überspannt. Google hat es nicht geschafft, im Alleingang Verhältnisse wie zu Zeiten der Internetblase Ende der neunziger Jahre wiederherzustellen. Aus dem Triumphzug ist eine von Pannen gekennzeichnete Fahrt geworden. Die Serie der Fehltritte und Rückschläge kulminiert in der Kürzung der Preisspanne auf nur noch 85 bis 95 Dollar, ferner musste das Volumen verkleinert werden. US-Kleinanleger als die wichtigste Zielgruppe sind offenbar doch nicht so gutgläubig und unbedarft, wie man es sich bei Google wohl erhofft hat.
Auch mit der nun reduzierten Preisspanne ist die Google-Aktie weit davon entfernt, ein günstiges Schnäppchen zu sein. Angesichts der sich eintrübenden Perspektiven von Internetaktien erscheint der Titel als nach wie vor überteuert, Kursverluste sind damit vorprogrammiert. Wie sich nämlich aus den jüngsten, sehr verhaltenen Ausblicken von Ebay, Yahoo und Amazon.com ablesen lässt, ist der Internetsektor längst keine Wachstumsbranche mehr. Den Anlegern ist dies nicht entgangen. Der Bloomberg US Internet Index hat im laufenden Jahr mit 13% höhere Verluste verzeichnet als der S&P500.
Ob sich Google dem Branchentrend entziehen kann, ist äußerst fraglich. So sitzt dem Unternehmen der ambitionierte Softwaregigant Microsoft im Nacken, was Erinnerungen an das Schicksal von Netscape weckt. Suchmaschinen gelten zudem als eine reife Technologie mit begrenztem Entwicklungspotenzial. Ferner geht der entscheidende Wettbewerbsvorteil von Google, nämlich der Ausweis klarer und brauchbarer Suchergebnisse, aufgrund von Werbung und gezielter Manipulation durch Betreiber von Websites allmählich verloren.
Wie leicht sich die Suchmaschine manipulieren lässt, wird deutlich, wenn man das Wort failure als alleinigen Suchbegriff eingibt. Führend in der Ergebnisliste erscheinen George W. Bush, Jimmy Carter und Michael Moore. Wenn allerdings die Pannenserie beim Google-IPO weitergeht, könnten dort in Kürze die Namen Sergey Brin und Larry Page ganz oben stehen.
(Börsen-Zeitung, 19.8.2004)
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