Börsen-Zeitung: Noch ein Rückzieher, Kommentar zur Absage des Hapag-Lloyd Börsengangs von Gottfried Mehner
Frankfurt (ots)
Hapag-Lloyd hätte ohne Zweifel den Kurszettel geschmückt: Das Unternehmen glänzt mit exzellenten Zahlen, die Branche bietet im Zuge der Globalisierung Wachstumschancen ohne Ende aber das aktuelle Börsenumfeld gibt eben nichts her.
Nachdem Tui vor einer Woche haarscharf am Dax-Rausschmiss vorbeischlitterte und sich in den vergangenen Wochen nur mit großen Mühen der geballten Attacken von Hedgefonds erwehren konnte in der Spitze waren bis zu 50 Mill. Aktien leerverkauft worden, das entsprach 28% des gezeichneten Kapitals , war natürlich etwas Vorsicht mit Blick auf die innere Wertigkeit angesagt. Denn bei dem erwarteten Relisting von Hapag-Lloyd waren 2 bis 2,5 Mrd. Euro an Bewertung erwartet worden. Wenn dieser Wert in Beziehung zur gesamten Tui-Bewertung von aktuell 2,6 Mrd. Euro gesetzt wird, ist die gesamte Misere offensichtlich: Der Touristikteil ist nicht viel Wert, jedenfalls unter Börsianern. Warum sich denn die Tochter greifen, wenn die Mutter auch nicht viel mehr kostet? Genau in diese Bewertungs-Bredouille wollte Tui nicht geraten. Die Filetiermesser sind schnell geschliffen.
Auch bei einem Verkauf an eine andere Reederei Angebote lagen ja vor hätte sich diese Problematik in der gleichen Schärfe gestellt. Dieses aus Tui-Sicht falsche Signal der Wertigkeit galt es auf Biegen und Brechen zu verhindern.
Am Ende der über viele Jahre fortgesetzten Umbauarbeiten wird deshalb kein lupenreiner Touristikkonzern stehen, sondern ein Zweibranchengebilde, bei dem der Touristikteil von den internen Ausgleichsmöglichkeiten profitieren wird. Tui konnte sowieso nie so recht in den Markt kommunizieren, dass entsprechend dem Verlauf des touristischen Gesamtjahres das erste und zweite Quartal wegen der Kostenvorläufe operativ regelmäßig rot schreiben. Das dritte Quartal mit den Urlaubsmonaten reißt dann alles herum, wobei sich im vierten Quartal das Gewinnplateau schon wieder abbaut.
Hapag-Lloyd hat sich in den vergangenen Jahren als verlässlicher Erzeuger von Free Cash-flow und von steigenden Ergebnissen erwiesen. Weil die Schiffe beliehen werden, verfügt Hapag-Lloyd zudem über einen eigenen Finanzierungskreislauf. Die gesamte Mechanik ist nicht neu. Hapag hatte sich zum Ausgleich der sehr zyklischen Schifffahrt in der Touristik engagiert, und Tui setzt jetzt zur Glättung der unterjährigen Saisonalität auf die Schifffahrt. Dies ist aber nur ein Kurzfristszenario: Die WestLB mit ihrem 31%- Anteil will ja demnächst aussteigen. Ein neuer Großinvestor wird hinsichtlich der Aufstellung selbst entscheiden, auch hinsichtlich Hapag-Lloyd.
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