Börsen-Zeitung: Amvescap blutet, Kommentar zur harten Amvescap-Strafe von Norbert Hellmann
Frankfurt (ots)
In Amerika gelten robuste Sitten, wenn Vergehen am Investor geahndet werden. Der Schlag kommt zwar hart, aber der Schmerz dauert nur kurz an. Egal, ob es um frisierte Aktienanalysen oder unsauber gehandelte Fondsanteile geht, im Umgang mit dem unbequemen New Yorker Generalstaatsanwalt Eliot Spitzer und der Wertpapierbehörde SEC gibt es klare Spielregeln: Man gesteht, gelobt Besserung, zahlt und hakt ab.
Bei großen Finanzadressen verlieren sich selbst hohe Strafen anschließend in den Sonderposten. Für einen unabhängigen Fondsmanager, wie die britisch-amerikanische Amvescap ihn abgibt, liegt der Fall anders. Die nun erwirkten Entschädigungen und Strafen im Zusammenhang mit dem Market-Timing-Skandal sind mit 450 Mill. Dollar ein echter Aderlass.
Zum einen tut sich Amvescap nun schwer, damit den Aktionären eine angemessene Dividende zu bieten, ohne von Kreditgeberseite auferlegte Ausschüttungssperren zu verletzen. Zum anderen gibt es einen Reputationsverlust, der tief ins Mark trifft. Zwar kann man sich darüber streiten, inwieweit die vor allem im US-Markt zu beobachtenden Mittelabflüsse tatsächlich auf eine Negativreaktion der Kundschaft im Zusammenhang mit den unsauberen Handelspraktiken zurückgehen. Auf jeden Fall ist es aber nun schwerer, mit Marketingoffensiven der latenten Abwanderung der Retailkundschaft entgegenzuwirken. Amvescap und allen voran ihr Chef Charles Brady, mit dem zumindest die britische Investorenseite immer unzufriedener ist, hätten gut daran getan, sich an die Spielregeln zu halten und die Sache rasch und geräuschlos zu bereinigen. Stattdessen gefielen sie sich in monatelanger Entrüstungshaltung und wiesen alle Vorwürfe zurück, um anschließend erst recht als ertappter Sünder dazustehen.
Als ob man nichts dazugelernt hätte, wurden anschließend alle Prognosen zu Entschädigungssummen verharmlost und verschleiert. Jetzt aber kriegt die angeblich unbefleckte Amvescap mit 450 Mill. Dollar von Spitzer & Co. immerhin die Bronzemedaille im Wettstreit der US-Fondssünder umgehängt und macht sich sichtbarer denn je.
Die Aktionäre haben allen Grund, wütend zu sein. Mitte August rutschte die Aktie auf ein Tief bei 261 Pence ab. Das 52-Wochen-Hoch bei 570 Pence im Herbst 2003 fiel nicht ganz zufällig auf ein Datum unmittelbar vor Bekanntwerden des Fondsskandals. Dazwischen versickerten 2,5 Mrd. Pfund Marktkapitalisierung, umgerechnet sind das 4,47 Mrd. Dollar. Wer die 450 Mill. Dollar Strafe als Messlatte nimmt, verharmlost den wahren Schaden bei Amvescap-Investoren. Er beträgt nämlich glatt das Zehnfache.
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