Börsen-Zeitung: Kommentar von Markus Frühauf zum Treffen der EU-Finanzminister und grenzüberschreitende Bankenfusionen: Kein Startschuss vom Ecofin
Frankfurt (ots)
Dass sich die EU-Finanzminister auf ihrem Treffen in Scheveningen mit den Hindernissen für grenzüberschreitende Bankenfusionen befassen, ist dem Oranje-Doppel aus Finanzminister Gerrit Zalm und ABN-Amro-Chef Rijkman Groenink zu verdanken. Denn das Thema setzte die niederländische EU-Präsidentschaft auf die Agenda. In Scheveningen wird neben den Spitzenmanagern von BNP Paribas (Michel Pébereau) und Royal Bank of Scotland (George Matthewson) auch Groenink sprechen.
Ob er die Gelegenheit nutzen wird, um sich über den italienischen Notenbankpräsidenten Antonio Fazio zu beklagen, kann nur gemutmaßt werden. Fazio hält den Einfluss ausländischer Banken in sehr engen Grenzen. So musste sich ABN Amro bislang bei der Banca Capitalia mit einer Beteiligung von knapp 10% und bei der Volksbank Antonveneta mit 12,3% begnügen. Groenink hat ein Interesse daran, dass die beiden Banken fusionieren. Denn dann wäre ABN Amro größter Einzelaktionär des neuen Instituts und hätte eine einflussreichere Position als derzeit mit den einzelnen Beteiligungen.
Dass Fazio nach Gutsherrenart den inländischen Bankenmarkt vom restlichen Europa abschotten darf, ist in der Tat ein Anachronismus. Die Bankenaufsicht obliegt am Stiefel noch immer der Notenbank. Nach der Parmalat-Pleite geriet auch Fazio unter Druck. Die geplante neue Aufsichtsbehörde ist vom Parlament noch nicht verabschiedet worden. Externer Druck könnte dem ins Stocken geratenen Prozess wieder auf die Sprünge helfen. Dass sich der Ecofin mit grenzüberschreitenden Bankenfusionen befasst, dürfte auch die nationalen Aufsichtsbehörden sensibilisieren, nationale Aspekte nicht mehr überzugewichten. Allerdings ist von den EU-Finanzministern kein Startschuss für die europäische Bankenkonsolidierung zu erwarten. Während grenzüberschreitende Fusionen im Investment Banking Alltag sind, gibt es im Retail Banking Barrieren, die die Politik nicht aus dem Weg räumen kann. Sprachliche und kulturelle Unterschiede stellen natürliche Hindernisse dar. Hinzu kommen differierende Steuersysteme und Produktbesonderheiten wie die im Ausland vor Fälligkeit mögliche gebührenfreie Kredittilgung. Schließlich lassen sich Synergien zwischen den Filialnetzwerken zweier Länder kaum realisieren. Den Sprung ins Ausland wagt man zumeist nur wegen begrenzter Wachstumsmöglichkeiten im Heimatmarkt. Deshalb buhlt auch die spanische Großbank SCH um die britische Abbey National. Es ist gut, wenn die EU-Finanzminister die Rahmenbedingungen erleichtern wollen. Wunder sind von ihnen aber nicht zu erwarten.
(Börsen-Zeitung, 10.9.2004)
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