Börsen-Zeitung: Kommentar von Norbert Hellmann zum Entschluss von HBOS, keine Gegenofferte für Abbey abzugeben: HBOS ist kein Robin Hood
Frankfurt (ots)
Eine Großbank, die freiwillig von einer Mega-Übernahme Abstand nimmt, um den Aktionären des Zielobjekts nicht zu viel zu schenken, wann hat es das schon einmal gegeben? Wochenlang rasselte die britische HBOS mit den Säbeln. Sie schien drauf und dran, ein Gegenangebot für Abbey National abzugeben, um Santander aus dem Feld zu schlagen. Nun wurde mit Rücksicht auf die eigenen Aktionäre aufgegeben. Daran, dass es der HBOS ernst war, besteht kein Zweifel.
Hinter den Kulissen wurden britische Medien dazu angestachelt, Schauermärchen über den spanischen Eroberer zu verbreiten. Auf offener Bühne wetterte man gegen die wettbewerbsfeindliche Partnerschaft von Santander und dem HBOS-Erzfeind Royal Bank of Scotland (RBS). Tatsächlich brachte man diese dazu, ihre Überkreuzbeteiligung zu lösen und die wechselseitige Board- Vertretung aufzugeben. Ob dies klug war, steht auf einem anderen Blatt. SCH machte aus dem Zwang, RBS-Aktien zu versilbern, insofern eine Tugend, als sie damit ihre Kriegskasse für den Fall eines Bieterkampfes auffüllte.
Mit dem frühen Treffer hat HBOS-Chef James Crosby den Gegner unnötig stark gemacht. Spätestens dann dürfte dem skeptischer eingestellten HBOS-Board klar geworden sein, dass die Übernahme von den enormen regulatorischen Risiken einmal abgesehen eine überteuerte Angelegenheit wäre. Im Falle eines Sieges hätte man ein regelrechtes Blutbad im Filialnetz anrichten müssen, um die Kaufprämie über Kostensynergien einigermaßen hereinzuholen.
Crosby mag der Chance nachtrauern, sich via Abbey im Kreis der Bankriesen Barclays, HSBC, Lloyds TSB und RBS zu etablieren. Im Prinzip aber ließ sich die HBOS von einflussreichen britischen Institutionellen missbrauchen, denen eine kampflose Abgabe der Abbey an ein spanisches Institut gegen den Strich ging. Sie drängten die HBOS-Spitze zum Mitmischen und schürten gleichzeitig eine patriotisch gefärbte Anti-Santander-Stimmung. Deren Aktie schien nicht gut genug, weil in Euro denominiert, und die Governance- Strukturen falsch, weil anders als auf der Insel.
Alles Dinge, die HBOS nicht berühren. Warum sollte sie Robin Hood spielen und zu Ungunsten der eigenen Aktionäre für jene Wertsteigerung sorgen, die sich Abbey-Investoren wünschen? Zwar mögen Letztere tendenziell leidgeprüft sein, während die HBOS- Aktionäre in den letzten Jahren eine reiche Ernte einfuhren, doch kann auf einem modernen Kapitalmarkt keine Umverteilung à la Sherwood Forest erwartet werden. Sollten die Abbey-Aktionäre wirklich meinen, dass die Prämie nicht stimmt, steht es ihnen immer noch frei, die SCH-Offerte abzulehnen.
(Börsen-Zeitung, 16.9.2004)
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