Börsen-Zeitung: Hängepartie in Essen, Kommentar zum KarstadtQuelle-Zwischenbericht von Annette Becker
Frankfurt (ots)
Waren bei KarstadtQuelle in den vergangenen Wochen nur Kassandrarufer am Werk, die die Lage des Einzelhandelskonzerns schwärzer malten, als sie tatsächlich ist? Die anfängliche Börsenreaktion auf den gestern vorgelegten Zwischenbericht legte diese Vermutung nahe. Und sie kam nicht von ungefähr, hat sich der Umsatzrückgang im dritten Quartal doch nur auf 5,9% belaufen und nicht, wie vor wenigen Wochen noch angekündigt, auf mehr als 8%. Damals hielt der Vorstandsvorsitzende Christoph Achenbach allerdings noch eisern an der Prognose für das Gesamtjahr fest. Gestern kassierte er sie ein. Das lässt nur einen Schluss zu: Der Oktober war ein katastrophaler Monat für den Handelsriesen.
Nun hoffen die Essener, dass sich die Wogen, die das Sanierungskonzept in der Öffentlichkeit geschlagen hat, glätten und die Kunden auch wieder langlebige, mit Garantie ausgestattete Konsumgüter bestellen. Dann und nur dann könnte wenigstens das Weihnachtsgeschäft in normalen Bahnen verlaufen.
Was danach kommt, ist weiterhin ungewiss. Das belegt der Blick in die Bilanz des Handelskonzerns. Der Finanzmittelfonds ist zum 30. September um 76 Mill. Euro auf nur noch 91 Mill. Euro abgeschmolzen. Mit 83 Mill. Euro ist das in der Konzernbilanz ausgewiesene Eigenkapital so gut wie aufgezehrt. Zwar haben die Banken die Liquidität bis zum Jahresende gesichert, eine darüber hinausgehende Kreditvereinbarung lässt aber weiter auf sich warten. Bis spätestens Mitte nächster Woche muss ein Gutachten von Roland Berger, das die Gläubigerbanken in Auftrag gaben, vorliegen. Der für diese Woche avisierte Termin konnte nicht gehalten werden.
Ob die Berater von Roland Berger Zweifel an der Machbarkeit des Sanierungskonzepts hegen oder ob der Zeitrahmen für die Prüfung zu kurz gespannt war, ist nicht bekannt. Doch fest steht: Ohne positive Studie keine weiteren Kredite und ohne weitere Kredite kein frisches Eigenkapital.
Die geplante Kapitalerhöhung im Umfang von mindestens 500 Mill. Euro kann angesichts der gestern gezeigten Bilanzrelationen allerdings nur der Anfang sein. Eine Wandelanleihe, die im Refinanzierungskonzept als Option in den Raum gestellt wurde, ist praktisch Pflicht. Unklar ist zudem, ob mit den im dritten Quartal verarbeiteten Sonderlasten von 1,3 Mrd. Euro tatsächlich alle Bewertungskorrekturen vorgenommen wurden. Hinweise auf einen womöglich höheren Vorsorgebedarf lassen sich im Zwischenbericht ebenso finden wie Hinweise auf die etwaige Auflösung von Rückstellungen.
Die Hängepartie in Essen ist noch lange nicht ausgestanden, auch wenn die Arbeitnehmer ihren Sanierungsbeitrag derweil schon leisten.
ots-Originaltext: Börsen-Zeitung
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