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Börsen-Zeitung: Der Marschbefehl, Kommentar von Annette Becker zum Ausstieg der Familie Röchling bei Rheinmetall

Frankfurt (ots)

Die Entscheidung der Familie Röchling, sich von
ihrem Aktienpaket an Rheinmetall zu trennen, hat weitreichende
Bedeutung. Sie ist praktisch der krönende Abschluss des mehrjährigen
Konzernumbaus, an dessen Ende ein auf Rüstung und Automotive
konzentriertes Unternehmen steht. Zugleich steht der Ausstieg der
Familie für den Beginn einer neuen Ära, vor allem was die
Konsolidierungsbestrebungen in der Rüstungsindustrie betrifft.
Wenngleich heute noch mehr als die Hälfte des Konzernumsatzes aus
der Automotive-Sparte kommt, steht Rheinmetall in der breiten
Öffentlichkeit doch vor allem als Rüstungskonzern im Fokus. Das hat
gute Gründe, denn in der Heerestechnik beanspruchen die Düsseldorfer
in Europa die Führungsposition und bieten sich von daher als Nukleus
für einen europäischen Heereskonzern à la EADS geradezu an.
Zukunftsmusik? – Vielleicht. Ganz von der Hand zu weisen sind
derartige Überlegungen jedoch nicht.
Bevor es so weit kommt, müssen in den einzelnen Ländern jedoch
erst einmal die Hausaufgaben erledigt werden. Für Frankreich heißt
das beispielsweise, die eigene Rüstungsindustrie vom Staatstropf
abzuhängen und die Unternehmen nach marktwirtschaftlichen Kriterien
arbeiten zu lassen. Für Deutschland heißt das, die Konsolidierung auf
nationaler Ebene voranzutreiben. Während es in der Marineindustrie
mit dem Zusammenschluss der ThyssenKrupp-Werften mit der
Howaldtswerke-Deutsche Werft im Oktober dieses Jahres endlich
gelungen ist, einen deutschen Verbund unter Führung von ThyssenKrupp
zu gründen, steht die Konsolidierung in der Heerestechnik noch aus.
Seit Jahren arbeitet Rheinmetall Detec nun schon in Einzelprojekten
mit Krauss-Maffei Wegmann zusammen. Zur Fusion kam es aber trotz der
sich aufdrängenden industriellen Logik nicht. Selbst auf die Wünsche
der Politik, für die die Rüstungsindustrie naturgemäß ein offenes Ohr
hat, wurde bislang nicht eingegangen.
Der Grund: Hinter beiden Gesellschaften steckten zumindest bisher
zwei Familien, deren Vorstellungen nicht unter einen Hut zu bekommen
waren. Der Abschied der Familie Röchling von Rheinmetall eröffnet
daher neuen Verhandlungs- und Handlungsspielraum. Plötzlich können
die Gespräche nämlich nicht mehr nur über eine Fusion, sondern
möglicherweise auch über eine Übernahme geführt werden. Bislang
fehlte Rheinmetall dazu schlichtweg das Geld. Mit neuer
Aktionärsstruktur und klar kommunizierbarer Equity Story dürfte einer
Kapitalerhöhung nichts mehr im Wege stehen. Und wer weiß, vielleicht
steht Rheinmetall in ein paar Jahren tatsächlich als reinrassiger
europäischer Rüstungskonzern da.
(Börsen-Zeitung, 25.11.2004)
ots-Originaltext: Börsen-Zeitung

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