Börsen-Zeitung: Bayer fährt Risiko hoch, Kommentar zur Neuausrichtung bei Bayer von Annette Becker
Frankfurt (ots)
Um die Kostenstrukturen in der Pharmasparte an die deutlich geschrumpfte Erlösbasis anzupassen, schreckt Bayer vor harten Einschnitten nicht zurück. Ging es im September der Vertriebsmannschaft in den USA an den Kragen, wird jetzt mit eisernem Besen in der Forschung gefegt. Diesmal trifft es vor allem den Forschungsstandort Wuppertal, wo fast 15% der Arbeitsplätze gestrichen werden. Bis 2006 sollen auf diesem Wege 130 Mill. Euro gespart werden. Kurzfristig gesehen ist das sicherlich eine ertragsstabilisierende Maßnahme.
Langfristig erhöht sich jedoch das Risiko, denn es geht um weit mehr als das Einsparen von Personalkosten. Hatte Bayer erst im vergangenen November den Rückzug auf die Forschungsgebiete Onkologie, Antiinfektiva, Herz-Kreislauf und Urologie proklamiert, heißt es heute: Abspecken auf nur noch zwei Therapiegebiete. Zweifelsohne ist die Pharmaforschung ein kostspieliges Unterfangen. Dieses kann sich Bayer in vollem Umfang nicht mehr leisten. Insofern ist der Rückzug auf nur noch zwei Forschungsfelder konsequent. Ein mittelgroßes Pharmaunternehmen kann eben nicht in allen Therapiegebieten forschen.
Der wunde Punkt bleibt allerdings die Forschungspipeline, die nach wie vor nicht gut bestückt ist. Gerade zwei Hoffnungsträger eines aus der Onkologie und eines aus dem Gebiet Herz-Kreislauf weist sie auf, die in absehbarer Zeit auf den Markt kommen können. Wenn einer der Wirkstoffe in der klinischen Phase noch ausfallen sollte, sieht es düster aus. Natürlich kann die Pipeline mit Einlizenzierungen gefüllt werden. Doch das ist auch ein kostspieliges Unterfangen.
In den Therapiegebieten, auf die sich Bayer jetzt zurückziehen will, sind alle Big Player der Branche am Start. Entsprechend harsch bläst der Wettbewerbswind. Nur die Konkurrenz kann in tiefere Forschungstaschen greifen. Hinzu kommt, dass die beiden gewählten Forschungsfelder aus Vertriebsperspektive nicht zusammenpassen. Im Gegensatz zu Krebsmedikamenten werden Herz-Kreislauf-Präparate auch über Allgemeinärzte vertrieben. Das erfordert eine entsprechende Sales Force.
Die weitere Beschneidung der Pharma mag ein konsequenter Rückzug im Sinne der Bündelung von Kräften sein. Sie ist vor allem aber als Gelübde an den Kapitalmarkt zu verstehen. Nachdem Konzernchef Werner Wenning im Frühjahr dieses Jahres seine mittelfristigen Renditeprognosen einkassierte und die Messlatte tiefer hängte, werden nun alle Entscheidungen mit Blick auf 2006 getroffen. Ob die neue Pharmastrategie letztlich zum Erfolg führt oder ob Bayer in zwei, drei Jahren komplett auf Forschung verzichtet, hängt aus heutiger Sicht von zwei Forschungsprojekten ab.
ots-Originaltext: Börsen-Zeitung
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