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Börsen-Zeitung: Seiferts dritter Anlauf, Kommentar zur Barofferte der Deutsche Börse an die London Stock Exchange von Claus Döring

Frankfurt (ots)

Werner Seifert reist mit einem dicken Sack voll
Geld nach London. Dass die Umworbene sich so teuer wie möglich
verkaufen möchte, gehört zum Spiel. Doch die Prämie von rund 50% auf
den Kurs vom 22. Oktober, die der Chef der Deutschen Börse als
vorweihnachtliche Bescherung den Aktionären der London Stock Exchange
(LSE) anbietet, ist bei seinen eigenen Anteilseignern nicht gut
angekommen. „Zu teuer“, kommentieren die Analysten, der Markt zeigt
der Deutsche- Börse-Aktie die Rute. Zum einen ist da die berechtigte
Sorge, dass die Deutsche Börse wohl noch ein Päckchen drauflegen
muss, um die LSE für den angestrebten „agreed deal“ zu gewinnen, vor
allem dann, wenn der Pariser Konkurrent Euronext sich einschalten
sollte. Zum anderen fehlt die Bezifferung des Gegenwertes, sprich der
Kostensynergien.
Aber lässt sich die Barofferte im Wert von 1,8 Mrd. Euro allein
durch Vergleich der unterschiedlichen Kurs-Gewinn-Verhältnisse und
Synergieberechnungen bewerten? Die Erfahrung lehrt, dass vor
Zusammenschlüssen behauptete Synergien selten gestimmt haben.
Insofern ist es ehrlich, wenn die Deutsche Börse jetzt nicht mit
Zahlenspielereien hausieren geht und die Sache schönrechnet. Wer will
schon wissen, ob die Kosteneinsparungen bei den Handelsplattformen
jährlich 40, 60 oder 80 Mill. Euro bringen werden?
Wenn es Zusammenschlüsse gibt, bei denen das strategische Argument
zu Recht bemüht wird, dann in diesem Fall. Denn dass sich der
Konsolidierungsprozess am fragmentierten europäischen Kapitalmarkt
fortsetzen muss, liegt auf der Hand. Es wäre vergebene Mühe, auf EU-
Ebene die Voraussetzungen für einen gemeinsamen europäischen
Kapitalmarkt zu schaffen und dann im Tagesgeschäft diesen Vorteil
durch den Betrieb einer Vielzahl von Handelsplattformen und
Abwicklungsgesellschaften zu konterkarieren. Insofern ist es
konsequent, wenn der größte Börsenbetreiber nun zum dritten Mal auf
London als größten europäischen Markt zielt, um den
Konsolidierungsprozess voranzubringen.
Natürlich werden da Erinnerungen wach. Aber es handelt sich nicht
um eine Neuauflage jenes Fusionsvorhabens, das als „iX“ in die
Börsengeschichte einging und zum Glück scheiterte. Denn unter den
damaligen Bedingungen hätte in London mit den Blue Chips die Musik
gespielt, und Frankfurt hätte mit dem Neuen Markt den Blues gehabt.
Aus dem Missklang des Jahres 2000 hat Seifert gelernt. Mit seinem
neuen Arrangement will er alle Spieler berücksichtigen: Aktionäre,
Kunden, Emittenten und Regulierer. Und das Stück ist anders
intoniert. Seifert streicht die Vorteile für die Kunden heraus, die
in Form von niedrigeren Preisen von den Einsparungen bei den
Fixkosten ebenso profitieren sollen wie die Aktionäre. Er betont, das
regulatorische Umfeld nicht antasten zu wollen. Befürchtungen,
deutschen Emittenten würde ein angelsächsisches Modell übergestülpt
(oder umgekehrt), sind damit unbegründet.
Was bedeutet der Vorstoß der Börse für den Finanzstandort
Deutschland und den Platz Frankfurt? Die Beantwortung dieser Frage
hängt von den noch auszuhandelnden Details ab. Es sollte Ziel der
Deutschen Börse sein, Know-how und Verantwortung in Frankfurt zu
halten. Nicht aus patriotischer Anwandlung, sondern weil Deutschland
als die stärkste Volkswirtschaft Europas ein Entwicklungspotenzial
bietet wie kein anderes Land. Seifert selbst weist seit Jahren auf
das Missverhältnis von Wirtschaftskraft und Börsenkapitalisierung
hierzulande hin. Dieses Potenzial kann nicht von London aus gehoben
werden.
ots-Originaltext: Börsen-Zeitung

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