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Börsen-Zeitung: Frontalangriff auf den Pakt, Kommentar zur geplanten Reform des Stabilitätspaktes von Christof Roche

Frankfurt (ots)

Um eines vorwegzuschicken: Der Stabilitäts- und
Wachstumspakt wird aufgeweicht. Ob in der Substanz oder nur am Rande,
das lässt sich erst sagen, wenn alle technischen Fragen beantwortet
sind: Wann wird ein Defizitverfahren eröffnet? Wie sehen die
Zugeständnisse für den Korrekturpfad aus, um die Defizite abzubauen?
Aber die wirkliche Gefahr für den Pakt lauert derzeit an einer
ganz anderen Front. Denn die deutsche Regierung hat inzwischen jeden
Skrupel verloren, das lästige Gängelband aus Brüssel ganz
abzustreifen. Für Kanzler Gerhard Schröder ist die Finanz- und
Wirtschaftspolitik nämlich die souveräne Entscheidung einer jeden
einzelnen Euro-Regierung. Schröder will die Kommission als
Währungsaufsicht erst im Spiel sehen, wenn ein Land seine eigenen
Budgetvorgaben nicht mehr in den Griff bekommt. Und das auch nur,
wenn mit Hilfe der Reform jede Menge Weichmacher als Sicherung
eingebaut sind, wo die milliardenschweren Kosten für die
Wiedervereinigung ebenso Berücksichtigung finden wie die
Nettobeiträge an die EU sowie Steuerentlastungen zur Wiederbelebung
der Wirtschaft.
Schröders Ideen sind damit ein Frontalangriff auf die Grundfeste
der Währungsunion. Denn der „Trade off“ aus Brüssel sah im Kern vor,
für mehr Flexibilität in den Defizitverfahren die Koordinierung der
Finanz- und Wirtschaftspolitik auf Euro-Ebene als Sicherheitsnetz
darunterzuspannen. Mit Schröders Vorstoß, diese jetzt zu
renationalisieren, stellt der Kanzler die gesamte
Währungsgemeinschaft in Frage. Denn wer soll etwa ein Land wie
Italien auffordern, seine überbordende Staatsverschuldung abzubauen,
wenn im Grunde jeder in Euroland tun kann, was ihm passt?
Für Jean-Claude Juncker, immerhin einer der Euro-Gründungsväter,
kann die Maxime im Reform-Schlussspurt daher nur lauten: die
Koordinierung zu festigen, die neuen politischen Ermessensspielräume,
die es geben wird, zu begrenzen und die Reform im Kreis der
Finanzminister zu erledigen, soll der Pakt nicht in die Beliebigkeit
abgleiten. Kurz: Schadensbegrenzung statt Demontage. Denn wird die
Reform im März auf dem EU-Gipfel entschieden, dann ist, wenn
Schröder, Chirac & Co das Sagen haben, mit dem Schlimmsten zu
rechnen. Darauf, so warnen Kreditwirtschaft und Industrie schon
heute, wird die Europäische Zentralbank nur mit höheren Zinsen
reagieren können.

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