Börsen-Zeitung: Ende offen, Kommentar von Christoph Ruhkamp zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum erweiterten Kontenabruf durch die Finanz- und Sozialbehörden
Frankfurt (ots)
Das letzte Wort über den jüngsten Angriff des Gesetzgebers auf die informationelle Selbstbestimmung ist noch nicht gesprochen. Mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum erweiterten Kontenabruf durch die Finanz- und Sozialbehörden haben die Verteidiger des Grundrechts zwar einen Rückschlag erlitten. Dieser fällt jedoch bei genauer Betrachtung kleiner aus, als er im ersten Moment erscheinen mag. Das Gesetz zur Förderung der Steuerehrlichkeit und die neue Abgabenordnung treten zwar nun zum 1. April in Kraft und werden nicht per einstweilige Verfügung aufgeschoben. Das ist aber auch schon alles. Ob der automatisierte Kontostammdatenabruf in der gegenwärtigen Ausgestaltung als verfassungsgemäß gelten kann, darüber haben die obersten Richter noch gar nicht entschieden.
Vielmehr lassen die Richter im Urteil bereits anklingen, an welchen Stellen sie noch Bauchschmerzen haben. Man darf deshalb mit Nachbesserungen rechnen, die mindestens absolut sicherstellen, dass die betroffenen Bürger auf die Möglichkeit einer Kontenabfrage vorab hingewiesen und über den Vollzug im Nachhinein informiert werden. Dass dies das Minimum ist, hat selbst das Finanzministerium mit seiner nachgeschobenen Verwaltungsanweisung im Zuge des bisherigen Streits bereits implizit eingeräumt. Das Verfassungsgericht dürfte also fordern, dass die bloße Verwaltungsanweisung Teil des eigentlichen Gesetzes wird. Denn die jetzige Anweisung ist nur für die Finanzbehörden bindend, nicht aber für die Sozialbehörden.
Damit darf es aber nicht genug sein: Das Gesetz muss dem Bürger vielmehr zusätzlich explizit das Recht einräumen, vor dem Verwaltungsgericht gegen eine erfolgte Kontenabfrage und ihre Folgen vorzugehen. Außerdem müsste das Gesetz festlegen, dass die Kontenabfrage nur dann zulässig ist, wenn alle anderen Möglichkeiten der Behörden ausgeschöpft sind oder völlig aussichtslos erscheinen.
Am besten jedoch wäre es, wenn die Kontenabfrage überhaupt nur auf die von Staats wegen existenziell notwendigen Fälle beschränkt würde: Das wären Ermittlungen des Staatsanwalts wegen schwerer Straftaten oder Ermittlungen der Steuerfahndung im Unterschied zur normalen Steuerfestsetzung durch das Finanzamt. Alle Hoffnung ruht nun auf den Verfassungsrichtern. Nur sie können noch das gläserne Konto verhindern.
(Börsen-Zeitung, 24.3.2005)
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