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Börsen-Zeitung: Kommentar von Stephan Lorz zum Vorentscheid des EuGH bei Unternehmenssteuern: Berlin muss umsteuern

Frankfurt (ots)

Eine neue Hiobsbotschaft für Finanzminister Hans
Eichel: Geht es nach dem Generalanwalt am Europäischen Gerichtshof,
soll es Unternehmen grundsätzlich erlaubt werden, Verluste von
Tochterunternehmen im EU-Ausland mit Gewinnen am Heimatstandort zu
verrechnen. Experten warnen bereits vor Steuerausfällen in Multi-
Milliarden-Höhe. Das Bundesfinanzministerium spricht dagegen
euphemistisch nur von einem „Risikopotenzial“. Jetzt rächt sich, dass
die Integration der EU und deren Erweiterung vorwiegend unter
politischen Gesichtspunkten betrieben worden war. Altkanzler Helmut
Kohl sah sich mehr seiner historischen Rolle verpflichtet als seiner
wirtschaftlichen Verantwortung. Auch Kanzler Gerhard Schröder hat
sich den notwendigen Anpassungen des nationalen Steuer- und
Abgabensystems stets verschlossen. Statt sich den ökonomischen
Konsequenzen der europäischen Integration und einem verstärkten
Standortwettbewerb zu stellen, hält Berlin bis heute an überholten
nationalstaatlichen Konzepten fest. Mit Paris wird sogar an einer
europäischen Steuerharmonisierung gearbeitet, um den fiskalischen
Wettbewerb auszuschalten. Dabei bestehen keinerlei Chancen, dass sich
alle EU-Staaten einbinden lassen, was zur Umsetzung erforderlich
wäre.
Sollte der Gerichtshof dem Generalanwalt folgen, dürfte der
Veränderungsdruck auf Deutschland also noch weiter zunehmen. Für
Unternehmen wird es dann noch lukrativer, Arbeitsplätze ins Ausland
zu verlagern. Schließlich können die Anlaufverluste beim Fiskus
geltend gemacht werden. Die geplante Senkung des
Körperschaftsteuersatzes ist damit längst verfrühstückt.
Mehr und mehr wird klar, dass das deutsche Steuersystem komplett
umgestaltet werden muss, will man die europäische Herausforderung
meistern: weg von der direkten hin zur indirekten Besteuerung. Denn
mit einer geringeren Unternehmens- und Einkommensbesteuerung steigt
Deutschlands Attraktivität als Produktionsstandort. Das schafft
Arbeitsplätze. Dagegen kommt kein Investor am größten Absatzmarkt
Europas vorbei – trotz der derzeitigen Konsumkrise. Obendrein steuern
bei einer höheren Mehrwertsteuer ausländische Produkte auch einen
größeren Anteil für die Finanzierung des Staates bei. Warum nicht
einmal mit einem solchen Konzept vorpreschen, statt immer nur mit
Reparaturvorschlägen à la Eichel hinterherzuhinken.
(Börsen-Zeitung, 8.4.2005)

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