Börsen-Zeitung: Nebenaspekt Finanzplatz, Kommentar zu den Auswirkungen der vorgezogenen Bundestagswahl auf die Gesetzgebung im Bereich der Finanzmärkte von Angela Wefers
Frankfurt (ots)
Mit den vorgezogenen Neuwahlen hat es auch die Kapitalmarktgesetzgebung erwischt. Das geringe Interesse des typischen Wählers an den oft komplizierten Sachverhalten hindert Politiker, mit diesen Themen zu punkten. Nur wenige Abgeordnete sind deshalb am Finanzmarkt interessiert und kennen sich mit den Themen aus. Daran hat bisher auch die Tatsache nichts geändert, dass die Finanzbranche in Deutschland ein wichtiger Arbeitsplatzfaktor ist. Dass dort mehr Menschen beschäftigt sind als in der Automobilindustrie, hat sich in Berlin noch nicht herumgesprochen.
Die so gesehen uninteressanten Gesetzesvorhaben für den Finanzmarkt rücken deshalb erfahrungsgemäß an das Ende der Legislaturperiode, weil die politisch brisanten Themen nur am Anfang abgehandelt werden können. Das war unter schwarz-gelber Regierung schon so, unter rot-grüner Regierung ist es nicht anders. Die nun schon für diesen Herbst angestrebten Neuwahlen machen folglich manchem Vorhaben zur Finanzmarktgesetzgebung einen vorzeitigen Strich durch die Rechnung.
Zu lange haben Bundesfinanz- und -justizministerium mit den Entwürfen gewartet. Ihren Zehn-Punkte-Plan zur Stärkung des Anlegerschutzes und der Unternehmensintegrität wird die Bundesregierung nicht mehr voll umsetzen können, weil ihr die Zeit fehlt.
Unter den noch nicht erledigten Punkten könnte mit etwas Glück gelingen, das erleichterte Klagerecht zur Durchsetzung von Aktionärs ansprüchen gegenüber der Gesellschaft und die verbesserte kollektive Durchsetzung von Ansprüchen noch vor dem Wahlkampf zum Abschluss zu bringen. Voraussetzung ist, dass sich die Länder nicht quer stellen. Keine Möglichkeit besteht mehr, die persönliche Haftung von Vorstand und Aufsichtsrat ins Gesetz zu bringen. Die Wirtschaft wird frohlocken, ist doch vor allem der Bundesverband der Deutschen Industrie Sturm gegen diese Verschärfung gelaufen. Ausnahmen bestätigen die Regel: Das Ziel einer stärkeren nationalen Kontrolle von Hedgefonds kann dennoch ein Wahlkampfthema werden. Es passt perfekt in die Kapitalismusdebatte, die die SPD verstärkt führen wird. Was nach der Wahl davon übrig bleibt, steht auf einem ganz anderen Blatt. Bisher hat sich bei der Finanzmarktgesetzgebung noch immer ökonomische Vernunft gegenüber Wahlkampfemotionen durchgesetzt.
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