Börsen-Zeitung: IPO auf Wiedervorlage, Kommentar zum verschobenen Börsengang der RAG von Brunfrid Rudnick
Frankfurt (ots)
Genau betrachtet wäre Werner Müller vor zwei Jahren bei seinem Amtsantritt als Chef der RAG AG ausgelacht worden, hätte er damals behauptet, grob betrachtet sind wir jetzt fit für die Börse. Heute wird sein Vorhaben ernst genommen. Schon die Platzierung des ersten langfristigen Konsortialkredits durch sechs europäische Top-Banken wertet Müller als Vertrauensbeweis des internationalen Kapitalmarktes.
Die Equity-Show jedoch hat noch nicht einmal begonnen. Müllers Modell mag bestechend einfach sein, aber dass es bis zur Umsetzung nur noch etwas Feinschliff benötigt, wie er meint, ist grob gesehen untertrieben. Die Bemerkung widerspricht sogar dem Eingeständnis, dass der ursprüngliche IPO-Fahrplan bis zum Frühsommer 2006 nicht eingehalten werden kann. Den Zeitrahmen hatte der RAG-Chef offensichtlich etwas voreilig so kurz bemessen, denn die Vorbereitungen für das IPO kann er erst dann konkret beginnen, wenn er die Unterschrift der Altaktionäre hat.
Eon, RWE und ThyssenKrupp werden dazu aber erst dann bereit sein, wenn die neue Landes- und die neue oder alte Bundesregierung die Übernahme der vollen Verantwortung für den Steinkohlenbergbau akzeptieren. Müller kann nicht sicher sein, dass sein Modell der Entfesselung der RAG aus der Verhaftung Weiß bei Schwarz zur künftigen Kohlepolitik passt. Der Argwohn ist weit verbreitet, dass er trickreich ein schlechtes Geschäft für den Staat einfädelt.
Man kann ihm zwar nicht widersprechen, wenn er darauf aufmerksam macht, dass der öffentlichen Hand heute wie morgen nicht mehr als das Vermögen des weißen Bereichs (Steag, Degussa, Immobilien) zur Abdeckung der Bergbaulasten zur Verfügung steht. Entscheidend ist jedoch, ob der Kapitalmarkt die RAG Weiß AG hoch genug bewertet und bezahlt, um die Risiken der öffentlichen Hand zur Zufriedenheit der Politik abzudecken.
Die RAG muss auch damit rechnen, dass eine kompromisslos schnelle Streichung der Kohlesubventionen zu einer zugkräftigen Wahlkampfparole erhoben wird. Gleichgültig, ob das haushalts- und rohstoffpolitisch vernünftig wäre: die zu befürchtende hitzige Debatte würde eine ganz und gar ungeeignete Atmosphäre für einen Börsengang schaffen. Deshalb: Wiedervorlage nach der Bundestagswahl.
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