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Börsen-Zeitung: Teure Geldpolitik, Kommentar von Christian Burckhardt zur geldpolitischen Strategie der Europäischen Zentralbank EZB

Frankfurt (ots)

Gäbe es die Disziplin des verbalen
Florettfechtens, hätte sich Trichet gestern eine Medaille verdient.
Mit Bravour wich er aus oder parierte geschickt die Attacken der
Journalisten, die ihn nach der geldpolitischen Sitzung des EZB-Rats
auf Auskünfte über den weiteren Zinskurs festzunageln versuchten. So
bekräftigte er weder, dass der nächste Zinsschritt nur nach oben
gehen kann, noch, dass eine Zinssenkung völlig vom Tisch ist.
Der Leitzins bleibt also, wo er ist: bei 2%. Und das wohl
mindestens für einige Monate noch, obwohl dieses Niveau das
niedrigste seit dem Zweiten Weltkrieg ist, obwohl es schon zwei Jahre
Bestand hat, niemand eine Wirtschaftsrezession erwartet und obwohl
Monat für Monat die bereits überreichliche Liquidität steigt und
steigt.
Ungewöhnliche, ja fast schon unheimliche Zeiten sind das, wenn der
Zins derart lange im Keller bleibt und die Investoren am Bondmarkt
auf jahrelang hohe Kurse setzen. Denn als Basisszenario unterstellen
sie nicht zu Unrecht: Euroland bleibt wegen unzureichender
Strukturreformen noch lange Zeit wachstumsschwach, womit das Risiko
eines plötzlichen Inflationsdrucks und Anziehens der Renditen gering
erscheint.
Trichets Botschaft von der Zinskonstanz und einem verhaltenen
Wirtschaftswachstum ist gewiss eine Beruhigungspille für jene
Anleger, die noch einen Rest Furcht vor einem abruptem Kurseinbruch
bei Bonds wie den vor einem Jahr haben. Doch Trichets verbales
Tänzeln ließ auch erkennen: eine Zinssenkung kommt für den EZB-Rat
allenfalls als Notmaßnahme bei drohender Rezession in Frage. Denn die
Kreditvergabe an den Privatsektor wächst, wie der EZB-Chef warnend
feststellte, doppelt so schnell wie die gesamte Wirtschaftsleistung,
und die Geldpolitik ist am Maximum dessen angelangt, was sie
zinspolitisch zugunsten von Konjunktur und Jobs zu tun vermag.
Was Trichet nicht sagte, aber ergänzt werden sollte: Die EZB
bezahlt dafür einen hohen Preis. Sie generiert eine beispiellose
Liquiditätsschwemme. Die Inflationsbekämpferin EZB erzeugt so selbst
Potenzial für künftige Geldentwertung. Diese wird in einem
wachstumslahmen Euroland jedoch nicht so sehr bei den Konsumgüter-,
als vielmehr bei den Vermögenspreisen zum Tragen kommen und letztlich
die Finanzstabilität gefährden. Dann dürften für Trichet wirklich
ernste Gefechte auf dem Plan stehen.
(Börsen-Zeitung, 3.6.2005)

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