Börsen-Zeitung: Wermuthaltiger Italo-Wein, Leitartikel von Bernd Wittkowski zur Übernahme der HVB durch die Unicredit
Frankfurt (ots)
An dieser Übernahme werden sich noch lange die Geister scheiden. Wird die erste wahre europäische Bank, wie die italienische Unicredit und die HVB das Produkt ihres geplanten Zusammengehens definieren, ein Erfolgsmodell? Oder endet die Anlehnung der nach Bilanzsumme hiesigen Nummer 3 nach Deutscher und Dresdner Bank an die viel kleinere, aber weit ertragsstärkere und nach Marktgewicht ungleich schwerere italienische Vorzeigebank ebenso als wertvernichtender Flop wie die meisten M&A-Deals in der Finanzwelt? Beides ist denkbar und wie die deutsche Bankengeschichte lehrt auch das Abblasen der Elefantenhochzeit noch in der Verlobungszeit nicht auszuschließen. Bei Superlativen und Treueschwüren ist immer höchste Vorsicht geboten. Eine wahre europäische Bank wollten schon manche werden, etwa nur ein Beispiel der französische Crédit Lyonnais und die deutsche BfG Bank. Ihre in den frühen neunziger Jahren eingegangene und als unumkehrbar apostrophierte Partnerschaft hielt eine halbe Dekade, dann war Schluss mit der Vision von Europa.
Aber bemühen wir uns, den aktuellen bayerisch-italienischen Versuch positiv zu sehen: Die HVB steckt in einer unkomfortablen Lage, nachdem in den vergangenen drei Jahren sichtbar an die 6 Mrd. Euro verbrannt wurden, das Kreditbuch weiterhin unerquicklich ausschaut und die Kapitalausstattung nicht befriedigen kann, selbst wenn man berücksichtigt, dass seit der Fusion von Vereinsbank und Hypo-Bank bei der Kernquote nur sehr sporadisch eine 6 vor dem Komma stand da war Bescheidenheit gefragt. Vor diesem Hintergrund zeugt es von Realitätssinn, freiwillig die Rolle des Juniorpartners anzunehmen und sich eine starke Schulter zum Anlehnen zu suchen.
Dieter Rampl hat also für die HVB das Beste aus der schwierigen Lage gemacht. Seinen Aktionären sichert er mit der freundlichen Übernahme durch Unicredit ein seit langem durch heiße Fusionsluft aufgeblasenes, fundamental aber kaum nachvollziehbares Bewertungsniveau. Für das Deutschlandgeschäft als Sorgenkind mit ungewisser Zukunft gibt es nun vorerst Bestandsschutz. Die Kunden haben als Folge des 19,2-Mrd.-Euro-Deals (inklusive der Angebote für Bank Austria Creditanstalt und die polnische BPH) keine Nachteile zu gewärtigen. Und die Beschäftigten, zumindest hierzulande, dürfen ganz tief durchatmen, weil jeder alternativ in Frage kommende innerdeutsche Konsolidierungsschritt weit mehr Stellen gekostet hätte als der Verkauf an die Italiener.
Diese Essentials erreicht, die komplexe Mega-Akquisition äußerst professionell ausgehandelt und durch die Gremien gebracht sowie Märkte und Medien geschickt auf zu erwartende Entwicklungen eingestimmt zu haben, verdient ehrliche Anerkennung und Respekt: Rampl ist eine Meisterleistung zu bescheinigen, deren Ergebnis sich obendrein in hübscher Verpackung (Vorreiterrolle bei der europäischen Bankenkonsolidierung, Wachstumsperspektiven) auch der Politik und dem breiten Publikum prima verkaufen lässt.
Eine wichtige Rolle spielt die Psychologie der Transaktion auch auf der Käuferseite, wie die Ovationen in Rom zeigen. Wenn ein einstiger David vom Apennin einen Goliath der führenden Volkswirtschaft Europas bezwingen kann, tut das jenseits aller strategischen Motive nicht zuletzt dem spätestens seit den Anfängen der Europäischen Währungsunion verletzten italienischen Ego gut. Galten doch die Südeuropäer weiter nördlich immer als diejenigen, die mit Geld sowieso nicht umgehen können. Höchste Zeit, es denen da oben mal zu zeigen.
Aber werden sie diesmal wirklich das Gegenteil beweisen? Vieles deutet auf reichlich Wermut im Italo-Wein hin. Unicredit mag ja bisher ausweislich ihres Return on Equity die Klasse eines DOCG Riserva haben. Die Kapitalbasis indes entspricht eher dem Niveau eines verwässerten Vino da Tavola. Angesichts einer Tier-1-Ratio von 5,3% geht das Duo unübersehbar aus einer Position der Schwäche an den Start, und auch die für 2007 angepeilten 6,4% sind alles andere als übertrieben ehrgeizig. Da wird internes Wachstum kaum zur notwendigen Eigenkapitalstärkung reichen. Zum Vergleich: Die Deutsche Bank würde sich unwohl fühlen, sollte ihre Kernkapitalquote nennenswert unter die heutige Marke von 9,2% fallen.
Auch das Verhältnis zwischen den brutto knapp 1 Mrd. Euro Synergien, die erst von 2008 an voll realisiert sein sollen und fast komplett auf das Kostenkonto gehen, und dem Restrukturierungsaufwand von 1,35 Mrd. Euro (in Gänze 2005 zu verbuchen) lässt Wünsche offen und dürfte andere europäische Banken nicht unbedingt zur Nachahmung anregen.
Viel überzeugender wirkt es, wenn sich ein Unternehmen wie z.B. die Deutsche Bank erst einmal durch eigene Anstrengungen bemüht, mit möglichen strategischen Partnern auf Augenhöhe zu kommen. Aber zugegeben: Das muss man sich leisten können, und man braucht die nötige Kraft. An beidem hat es in München gefehlt, seit die HVB 1998 unter unglücklichen Umständen aus der Taufe gehoben wurde. Angesichts dieser Ausgangsbasis gab es üblere Szenarien als die Hochzeit mit Unicredit. Dass dies eine Hochzeit im Himmel wäre, hat zum Glück noch keiner behauptet. Gut so. Denn umso kleiner ist das Enttäuschungspotenzial.
(Börsen-Zeitung, 14.6.2005)
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