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Börsen-Zeitung: Zitterpartie um SachsenLB, Leitartikel von Ulli Gericke zur Zukunft der Landesbank Sachsen

Frankfurt (ots)

Das erste Nein war schon zu viel. Das zweite
wäre tödlich. Kann sich die Anteilseignerversammlung der
Sachsen-Finanzgruppe am Montag wieder nicht auf die dringend
notwendige Kapitalerhöhung für die Landesbank Sachsen einigen, droht
der einzigen ostdeutschen Landesbank das Aus. Zwar wird der
Geschäftsbetrieb weitergeführt, und auch die Bundesanstalt für
Finanzdienstleistungsaufsicht wird nicht die Tore schließen. Wenn
sich jedoch die Eigentümer – wie bereits Anfang April – wieder nur zu
vagen Solidaritätsbekundungen durchringen können und ein klares, auch
finanzielles Commitment erneut verweigern, muss dies von den
Betroffenen als eindeutiges Misstrauensvotum gewertet werden. Das hat
die kleine, wahrscheinlich zu kleine SachsenLB aber nicht nötig, wie
das letztjährige Rekordergebnis beweist. Verweigern das Land und die
Kommunen/Landkreise dennoch den von Ratingagenturen geforderten
Kapitalzuschuss, dürfte nicht nur die ohnehin schon ungeduldige
Agentur Fitch ihren Daumen senken und die Bank wahrscheinlich noch am
Montag herunterstufen. Auch wichtige Mitarbeiter dürften in Leipzig
keine Zukunft mehr sehen. Und ob der bereits bestellte, aber erst zur
Jahresmitte kommende neue Vorstandschef Herbert Süß unter diesen
Umständen sein Amt antritt, darf bezweifelt werden.
Die Gefechtslage ist also klar. Auf der einen Seite steht die nach
der Wende auf politisches Geheiß gegründete SachsenLB, die sich seit
Anbeginn wegen der desaströsen wirtschaftlichen Lage im deutschen
Osten auf internationale Nischengeschäfte konzentrieren musste.
Andererseits müssen sich nun die Eigner outen, ob und wie sie zu
ihrem „Kind“ stehen. Der fehlende Heimatmarkt, verbunden mit einer
aus Ratingsicht ungenügenden Eigenkapitalausstattung führten dazu,
dass Standard&Poor’s die SachsenLB nur mit dem ungenügenden
„BBB+“Schattenrating für die unmittelbar bevorstehende Zeit nach
Wegfall der Staatshaftung ausstattete. Mit dramatischen Folgen: Denn
die daraus resultierenden Schwierigkeiten bei der künftigen
Refinanzierung beschränken das künftige Geschäft – mit bösen Folgen
auf die Gewinnentwicklung. Überschlägige Schätzungen des Managements
haben ergeben, dass mit dem peu à peu wegbrechenden Geschäft auch
zwei Drittel des letztjährigen Gewinns in Frage stehen. Das schwächt
das Rating weiter, was das Geschäft noch schwieriger macht ...
Um aus diesem Circulus vitiosus herauszukommen, müssen die Eigner
nicht nur die wegbröckelnden Refinanzierungsmittel ersetzen, sondern
auch die schwache Eigenkapitalausstattung stärken. Die Eigentümer
sind die sächsischen Sparkassen (beziehungsweise ihre Träger) und das
Land. Schon seit geraumer Zeit gibt es die grundsätzliche Zusage der
Retailinstitute, einen Teil ihrer für Ostdeutschland typischen hohen
Passivüberhänge zu marktgerechten Konditionen der Landesbank zur
Verfügung zu stellen. Addiert dürften auf diese Weise locker 5 bis 6
Mrd. Euro zusammenkommen – was die geschäftliche Existenz der Sachsen
LB über Jahre hinaus retten dürfte. Noch nicht endgültig geklärt ist
allerdings, inwieweit bei einigen Instituten durch die Mittelvergabe
ein Klumpenrisiko droht. Offen sind zudem die geforderten
marktgerechten Konditionen,da einige Sparkassen offensichtlich einen
Zuschlag wegen des schlechten Ratings einrechnen.
Schwieriger zu lösen ist der notwendige Eigenkapitalzuschuss.
Übereinstimmend ist zu hören, dass S&P mindestens 300 Mill. Euro
fordert, und zwar als Gesamtsumme einzuzahlendes „fresh money“.
Angesichts der chronischen Haushaltslöcher in den Städten und
Landkreisen muss das Land diesen Batzen stemmen – wobei bis dato
maximal die Hälfte im klammen Etat zusammengekratzt ist. Zahlt aber
Dresden direkt in die SachsenLB ein, verschieben sich die
Anteilsverhältnisse im Eigentümerkreis dramatisch. Hält das Land
bisher (durchgerechnet) knapp ein Fünftel an der Bank, wäre es nach
der Kapitalerhöhung unumschränkter Mehrheitseigner. Wird der indirekt
Weg über die Finanzgruppe gewählt, gewinnt das Land mit künftig 33%
nicht ganz so deutlich an Gewicht. Kein Wunder, wenn es angesichts
dieser Perspektive bei einigen Miteignern Überlegungen gibt, sich
doch – und sei es über die Verrechnung künftiger Ausschüttungen – an
der Kapitalerhöhung zu beteiligen.
Diese Gedankenspiele zeigen aber auch ein gewisses Umdenken im
bislang äußerst angespannten Verhältnis zur Landesbank – weil selbst
der entfernteste kleine Landkreis inzwischen realisiert hat, dass ein
vorzeitiges Aus der SachsenLB bei jedem Miteigner zu nennenswerten
Wertverlusten und Abschreibungen führen würde. Zudem hat die
Bereitschaft der Landesbank, eigene Tätigkeiten – wie etwa den
lukrativen Zahlungsverkehr – abzugeben und diese unter dem
gemeinsamen Dach der quasi neutralen Sachsen-Finanzgruppe zusammen
mit den Sparkassen zu betreiben, merklich zur Entspannung
beigetragen. Können sich schließlich beide Seiten noch zu einer
verbindlichen Verbundzusammenarbeit entschließen, wäre das Wohlwollen
der Ratingagenturen gesichert. So gesehen gibt es gute Chancen, dass
die Eigner am Montag ihre SachsenLB stützen – um sie in ein oder zwei
Jahren mit Gewinn an eine andere Landesbank verkaufen zu können.
(Börsen-Zeitung, 17.6.2005)

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