Börsen-Zeitung: VW auf dem Prüfstand, Kommentar von Gottfried Mehner zu Strategie und Perspektiven der Volkswagen AG
Frankfurt (ots)
Volkswagen hat sich bei den Analysten in London zum alljährlichen Boxenstopp eingestellt. Automobile Hochstimmung kam nicht auf. VW, das zeigt die Momentaufnahme, droht sich in die Gruppe der Geisterfahrer von Ford und GM einzureihen.
Es ist natürlich toll, wenn Europas größter Autobauer in einer Art magischem Ritual erneut die wichtigste Zielgröße von 9% Return on Investments (ROI) nach Steuern beschwört. 2004 waren es gerade noch 1,2%. Besserung ist nicht in Sicht. Das zentrale Dilemma: Die Volumenmodelle Golf und Passat sind inzwischen erneuert. Der operative Effekt ist ziemlich rückstandslos verpufft. Bis 2007 herrscht jetzt Produkt-Dürre. Ein erfolgreiches Zyklusmanagement sieht anders aus.
Die USA sind ein Trauerspiel ohne Ende: Es konturiert sich erneut ein Milliardenverlust. Auch im nächsten Jahr dürfte der Konzern den Break-even dort verfehlen. Irgendwie scheint sich etwa alle zehn Jahre das Thema eines Komplettrückzugs zu stellen.
Dabei war mit dem Retro-Modell New Beetle das Feld für ein überzeugendes Comeback gut bestellt. Der neue Jetta ist braver Mainstream. In den USA hat der Konzern inzwischen ein Produkt- und ein Händlerproblem. Die kolportierte Kooperation mit Chrysler, um schnell die Lücke bei den unverändert beliebten SUVs zu schließen, macht entsprechend viel Sinn. Eine Bestätigung gab es gestern dafür aber nicht. Ansonsten unternimmt Audi mit dem Cross-over-Modell Audi Q7 einen neuen Anlauf.
In Westeuropa läuft es für den VW-Konzern dagegen vergleichsweise rund, selbst für die Marke VW. Dies macht es dem Konzern aber leider umso schwerer, hier weitere Struktur- und Kostenverbesserungen einzufordern, um die Verluste in den USA und die Schwäche des Chinageschäfts auszugleichen. Nach wie vor vermeidet Konzernchef Bernd Pischetsrieder den konfrontativen Hinweis auf Werksschließungen in Deutschland. Er benutzt stattdessen die Chiffre, dass Exporte auch von hier aus möglich sein müssten, denn das künftige Wachstum spiele sich nicht in Europa ab.
Um wirklich wetterfest zu werden, müssten bis 2008 rund 4 Mrd. Euro mehr vor Steuern geholt werden. Blockierte Arbeitsmodelle und der verschobene Golf-Offroader deuten darauf hin, dass es im Wolfsburger Getriebe mächtig knirscht.
(Börsen-Zeitung, 25.8.2005)
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