Börsen-Zeitung: Sonnenstich, Kommentar zur Goldgräberstimmung am Solarmarkt von Bernd Freytag
Frankfurt (ots)
Es ist wie ein letzter, verschämter Gruß der Banker an die rot-grüne Regierung. Die Koalition in dieser Form ist Geschichte, und gerade jetzt, da sich die Vorkämpfer für alternative Energien in Berlin neu sortieren müssen, rollt an der Börse die Solarwelle. Mit Solarwatt, Sunline, Ersol und Q-Cells haben gleich vier Unternehmen den Gang aufs Parkett angekündigt. Der Ölpreis haussiert, und parallel dazu notieren Solarworld und Solon auf Höchstständen. Die einst kaum beachtete Solarworld-Aktie hat sich in den vergangenen 52 Wochen glatt versechsfacht und drückt heute mit einem Marktgewicht von 1,5 Mrd. Euro selbst dem TecDax ihren Stempel auf.
Die Goldgräberstimmung am Solarmarkt erinnert an die Boomzeiten der Windenergie. Repower, Nordex, Windwelt, P&T Technologies, Umweltkontor ja doch, da war mal was. Tatsächlich allerdings entpuppten sich die meisten Windparks schon bald nach der Platzierung als Luftschlösser. Mit einem Wertverlust von 65% gehört Repower noch zu den Outperformern in dieser Gruppe; die kleine Umweltkontor ist längst Geschichte.
Würden die Banken angesichts der sonnigen Zeiten bei ihren Bewertungen von IPO-Kandidaten auf dem Boden bleiben, könnte man eine solches Horrorszenario bei Solaraktien jedenfalls ausschließen. Stabile Cash-flows, profitable Unternehmen, keine steuerinduzierten Investitionen, kaum Gewährleistungsrisiken und der viel größere Absatzmarkt bilden eigentlich einen genügend großen Puffer nach unten.
Eigentlich, denn wie es den Anschein hat, haben die Banken den Bodenkontakt verloren. Sowohl bei Q-Cells als auch bei Ersol wird selbstredend die teure Solarworld als relevantes Vergleichsunternehmen genannt. Ein Kurs-Gewinn-Verhältnis von 25, das muss schon sein. Und in die überbordenden Überschussprojektionen fließen wie selbstverständlich Rohertragsmargen von 75% ein. Ganz so, als ob sich die in der Wertschöpfungskette vorgelagerten Silizium-Hersteller die in dieser Industrie derzeit über das tatsächlich knappe Gut verfügen diese Monopolgewinne dauerhaft entgehen lassen würden. Und die ahnungslosen Institutionellen werden ganz elegant im Zuge der entkoppelten Preisfindung gleich mit eingespannt.
Kaum verziehen sich über dem IPO-Markt die Wolken, leiden einige schon wieder an Sonnenstich.
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