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Börsen-Zeitung: Gegen den Wind, Kommentar zum Druck der Finanzminister gegen eine Zinserhöhung von Jürgen Schaaf

Frankfurt (ots)

Der Europäischen Zentralbank (EZB) stehen
stürmische Wochen ins Haus. Es ist zwar nicht neu, dass
Finanzpolitiker eine Abneigung gegen Zinserhöhungen haben. Die
Deutlichkeit und Geschlossenheit, mit der die Finanzminister der
Euro-Länder die Zentralbank zur geldpolitischen Zurückhaltung
auffordern, ist gleichwohl ungewöhnlich. Die Sorgen der
Finanzminister sind zumindest nachvollziehbar. Wird die Zinswende
eingeläutet, nehmen Belastungen für Zinszahlungen im Haushalt zu. Das
macht das Geschäft des Kämmerers nicht einfacher. Außerdem wird
weniger Geld in die Kassen des Fiskus gespült, wenn die Konjunktur
einen Dämpfer erhält.
Die Sorgen liefern aber keine Entscheidungsgrundlage für die EZB.
Ihre primäre Aufgabe ist, die Stabilität der Preise zu sichern. Und
die ist gefährdet. Im Oktober lag die Inflationsrate im Euroraum bei
2,5% – und ein Rückgang ist nicht in Sicht. Der anhaltend hohe
Ölpreis droht stärker an die Verbraucher weitergegeben zu werden.
Hinzu kommen mögliche Zweitrundeneffekte über Lohnverhandlungen,
höhere indirekte Steuern sowie ein nach wie vor rasantes Wachstum von
Krediten und Geldmenge. Insofern kann die anstehende Abkehr von der
Politik des leichten Geldes niemanden wirklich überraschen.
Allerdings erwischt die konzertierte Verbalattacke der
Finanzminister die EZB zu einem für sie ungünstigen Zeitpunkt. Anders
als der Ecofin-Rat erweckt der EZB-Rat nicht den Eindruck großer
Geschlossenheit. In den Äußerungen seiner Mitglieder herrscht zwar
offenkundig Einigkeit zu den Handlungsmöglichkeiten. Wie es um die
akute Handlungsbereitschaft bestellt ist, bleibt indes unklar.
Zumindest sind die Marktakteure uneins, ob der Zinsschritt bereits im
Dezember oder erst im nächsten Jahr vollzogen wird. Egal, welchen Weg
die EZB wählt, er kann ihr als Reaktion auf die Appelle des
Ecofin-Rats ausgelegt werden. Sei es als Trotz oder Nachgeben.
Umso mehr muss die europäische Notenbank jeden Zweifel an ihrer
Unabhängigkeit im Keim ersticken. Wenn die EZB ihre
Inflationsprognosen im Dezember veröffentlicht, kann sie Klarheit
herstellen, Einigkeit erzielen und Unabhängigkeit demonstrieren.
Sofern sich die Situation nicht drastisch ändert, wäre der 1.
Dezember daher der geeignete Termin, den Zinsschritt zu vollziehen
und den Lobbyisten den Wind aus den Segeln zu nehmen.

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