Börsen-Zeitung: Rekorde von gestern, Kommentar von Peter Olsen zur Lage der deutschen Autoindustrie am Jahresbeginn
Frankfurt (ots)
Auf den schnellen Blick sieht eigentlich alles bestens aus. Die deutsche Autoindustrie fuhr 2005 bei Pkw einen neuen Produktions- und, fast noch überraschender, einen weiteren Exportrekord heraus. Für die deutsche Volkswirtschaft resultierte dies in einem Ausfuhrüberschuss dieser Schlüsselindustrie von etwa 86 Mrd. Euro auch ein noch nie da gewesener Wert. Und selbst in den USA, wo ja das Geschäft im vergangenen Jahr alles andere als einfach war, legten die deutschen Anbieter insgesamt bei den Pkw kräftig um fast 9% zu, trotz der VW-Verkaufseinbußen.
Absatz- und Produktionsstatistiken sind das eine, Ergebniszahlen aber die letztlich relevanten Faktoren, wenn es im globalisierten Wettbewerb um die Zukunft des Standorts Deutschland geht. Der Verband der Automobilindustrie (VDA) müht sich, die wachsende Besorgnis über beschleunigte Verlagerung gen Osten zu dämpfen. Dass sich die Fahrzeughersteller mit Werksschließungen in ihren Heimatmärkten schwer tun, ist gewiss richtig. Allein, wie lange diese Brücke trägt, bleibt die Frage. Sollte sich die Tendenz zu Billigautos à la Renault Logan fortsetzen und die Aufnahmefähigkeit der Märkte für hochpreisige Premiumfahrzeuge sinken, kann es mit den Standortgarantien ganz schnell eng werden.
Bei den deutschen Großserienherstellern werden bereits Anpassungen mit Personalabbau umgesetzt. Damit sinken bei unverändert hohem Ausstoß die Lohnstückkosten, was die Ertragslage stärkt. Auch in Frankreich, Spanien und wohl auch in Italien wird die Konkurrenz dem Beispiel folgen. Bei den beiden angeschlagenen US-Konzernen General Motors und Ford Motor sollen in den nächsten Jahren jeweils 30000 Stellen fallen. Die beiden großen Märkte USA und Westeuropa versprechen auf Sicht kaum Wachstum, der Verdrängungswettbewerb wird der dringend nötigen Margenverbesserung enge Grenzen setzen.
Und wer in der Dollarerholung von 1,35 auf 1,20 Dollar für den Euro schon Vorboten neuer Gewinnchancen für die Automobilhersteller in Übersee sieht, könnte sich nach der Andeutung der Fed, wahrscheinlich von weiteren Zinserhöhungen abzusehen, ganz rasch auf dem falschen Fuß erwischt sehen. Wie sagte VDA-Präsident Bernd Gottschalk jüngst: Die deutsche Automobilindustrie wird 2006 auf Sicht fahren. Die Nebelschwaden haben sich noch nicht gelichtet.
(Börsen-Zeitung, 6.1.2006)
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