Börsen-Zeitung: Unterschätzte Risiken beim Öl, Kommentar zum Ölpreis von Dieter Kuckelkorn
Frankfurt (ots)
Ende 2004 sowie im Spätsommer vergangenen Jahres konnten die Prognosen der Analysten hinsichtlich des Ölpreises gar nicht hoch genug sein, so schien es. Schätzungen von 70 Dollar je Barrel und sogar deutlich darüber wurden herumgereicht. Zwischenzeitlich entspannte sich die Lage auf dem Ölmarkt, und die Schätzungen wurden mehr oder weniger unauffällig nach unten angepasst. Nun sei es Zeit, den Staub von den alten Prognose zu wischen, bemerkte ein Analyst der Ratingagentur Fitch.
Der Mann hat Recht. Sollte sich die Preisentwicklung der vergangenen Tage in nächster Zeit fortsetzen, erhalten die alten Studien eine unerwartete Aktualität. Die nach oben weisende Tendenz wird sich nach Ansicht vieler Marktbeobachter bis auf weiteres fortsetzen. Vor allem im Streit um das iranische Atomprogramm kündigt sich für die kommenden Monate weiteres Ungemach an, die Phase relativer Ruhe an den Konfliktherden in den Ölförderregionen ist offenbar vorüber. Zwar ist es unwahrscheinlich, dass der Iran seine Andeutung eines Ölembargos in die Tat umsetzt oder dass eventuelle Sanktionen des UN- Sicherheitsrates auch Öllieferungen betreffen. Dennoch dürften die Spannungen ausreichen, um eine neue, weitreichende Spekulation an den Terminmärkten auszulösen. Die Erfahrungen vom August vergangenen Jahres zeigen, dass Hedgefonds und andere spekulativ agierende Adressen den Markt in einem geeigneten Umfeld fast mühelos in die gewünschte Richtung bewegen können. Für den Iran dürfte es daher ein Leichtes sein, rhetorisch Öl ins Feuer zu gießen und die USA unter Druck zu setzen: Ein theoretischer Lieferstopp von 3,85 Mill. Barrel pro Tag ließe sich mit den freien Kapazitäten, die in der Gesamt- Opec lediglich 1,5 Mill. Barrel pro Tag betragen, nicht komplett ausgleichen.
Unsicherheit gibt es auch hinsichtlich der globalen Nachfrage. Als Ergebnis der unlängst erfolgten massiven Anhebung der Angaben zur chinesischen Wirtschaftsleistung gibt es Zweifel, ob die bisherigen Schätzungen der chinesischen Ölnachfrage korrekt sind und dass die Maßnahmen der Regierung zur Senkung des Verbrauchs greifen.
Vor diesem Hintergrund dürften die derzeit noch auf den Schreibtischen liegenden Prognosen moderater Ölpreise Makulatur werden. Für die alten Prognosen steigender Preise liegen die Staubtücher auf jeden Fall bereit.
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