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Börsen-Zeitung: Wer wagt, gewinnt - Kommentar von Daniel Schauber zum Versuch von Linde, den britischen Gase-Konkurrenten BOC zu übernehmen

Frankfurt (ots)

Deutsche Unternehmen sind ganz schön am Drücker:
Das neue Jahr hat gerade erst begonnen, da haben schon drei Dax-Werte
mit Plänen für Milliarden-Deals von sich reden gemacht. Erst wird
ThyssenKrupp zum „weißen Ritter“ bei der (jetzt gescheiterten)
Übernahme der kanadischen Dofasco für rund 4 Mrd. Euro, dann haut
BASF der amerikanischen Engelhard eine feindliche Offerte im Wert von
4Mrd. Euro um die Ohren, und jetzt kommt der größte Knaller: Linde
traut sich offenbar, mit einem unerbetenen Angebot beim größeren
britischen Gase-Konkurrenten BOC im Volumen von geschätzt 11 Mrd.
Euro aufzutrumpfen.
Zahlreiche deutsche Großkonzerne sind in aufgekratzter Stimmung.
Nach den mühseligen Jahren, in denen Kostensenkung, Schuldenabbau und
das Feilen an der Bilanzstruktur die Schlagzeilen bestimmten, geht es
jetzt wieder richtig los mit großen strategischen Ideen, Versuchen
und auch Taten.
Der Vorstoß von Linde ist ein richtiger Hammer und zeigt am
deutlichsten, mit wie viel Selbstbewusstsein die wiedererstarkten
deutschen Blue Chips nach dem Ende der Baisse auftreten: Die Aktie
des Wiesbadener Gase- und Gabelstaplerkonzerns notiert auf dem
höchsten Stand seit sieben Jahren. Mit derzeit 7,7 Mrd. Euro
Marktkapitalisierung ist Linde zwar noch immer ein Leichtgewicht im
Dax, doch der Mischkonzern traut sich was: einen Merger mit BOC, der
von Analysten schon seit Jahren erwartet und vom Linde-Management
stets ins Reich der Fabel verwiesen wurde. Denn, so hatte Linde-Chef
Wolfgang Reitzle immer durchblicken lassen: Mit der Rolle des Junior-
Partners bei einem Zusammenschluss der größeren BOC mit der kleineren
Linde werde er sich nicht zufrieden geben.
Reitzle hält offensichtlich – mit dem gesunden Selbstbewusstsein,
das ein seit 2003 verdreifachter Aktienkurs auszulösen vermag – die
Zeit für gekommen, den Spieß umzudrehen. Mit einer aggressiven
Finanzierung (Verkauf der Gabelstapler für 3 Mrd. Euro, 4 Mrd. Euro
neuen Schulden und einer Kapitalerhöhung von 4 Mrd. Euro) könnte der
David den Goliath zur Strecke bringen.
Die Idee ist gut, auch wenn die Linde-Aktionäre nicht viel von ihr
halten und die Aktie in den Keller schicken. Doch nur Sparprogramme
und Dividendenerhöhungen machen die Anleger auf Dauer nicht
glücklich. Wer wagt, gewinnt.
(Börsen-Zeitung, 25.1.2006)

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