Börsen-Zeitung: Stahlharte Marktmacht, Kommentar von Christoph Ruhkamp zum Übernahmeangebot von Mittal für Arcelor
Frankfurt (ots)
Mit dem Übernahmeangebot von Mittal für Arcelor erreichen die Konzentrationsbemühungen im weltweiten Stahlmarkt eine ungekannte Dimension. Kommt der bislang größte Zusammenschluss der Branche zwischen den beiden Marktführern zustande, entsteht ein Riese mit enormer Marktmacht sowohl im Einkauf gegenüber Rohstofflieferanten als auch im Verkauf gegenüber Abnehmern. Bisher war Mittal nur nach Rohstahl-Produktionsmenge der Weltmarktführer.
Jetzt will sich der Rotterdamer Konzern mit Arcelor den weltweiten Umsatzmarktführer mit seinen höhermargigen Flachstahlprodukten einverleiben. Auch regional passen die beiden gut zusammen, weil es kaum wichtige Überschneidungen gibt. Eine Ausnahme ist Deutschland, wo Arcelor über drei und Mittal über zwei Standorte verfügt. Arcelor verschafft Mittal Zugang nach Brasilien. Zusammen sind die beiden unangefochtener Marktführer in ganz Amerika und ganz Europa. Nur in Asien können ihnen die Konkurrenten aus Japan, Korea und China in Sachen Größe noch die Stirn bieten. Nicht zuletzt könnte der neue Konzern durch Arcelors Brasilien-Aktivitäten seinen Bedarf an teurem Eisenerz zu über 40% aus eigenen Minen decken.
Wir könnten die Zeiten des Preisdrucks für Stahl beenden, verkündete Mittal-Chef Lakshmi Mittal in der eilig einberufenen Telefonkonferenz seine Vision. Der indische Milliardär muss die Arcelor-Aktionäre von seinem Fusionskonzept nicht nur mit Geld, sondern auch mit Argumenten überzeugen. Denn das Angebot von 18,6 Mrd. Euro umfasst zwar eine hohe Prämie, beruht aber zu drei Vierteln auf Aktientausch. Außerdem wird es vom Arcelor-Management dem Vernehmen nach als zu niedrig angesehen und muss deshalb bis auf weiteres als feindlich gelten.
Für ThyssenKrupp hätte die Großfusion neben den Gefahren eines übermächtigen Wettbewerbers auch einen Vorteil. Mittal will die zu Arcelor gehörende kanadische Dofasco nach einer Übernahme der Luxemburger an die Deutschen abgeben. Nicht ganz freiwillig: Mittal ist Marktführer bei US-Automobilstahl und würde mit Dofasco weitere 10 Prozentpunkte Marktanteil erhalten. Das würden die US- Kartellbehörden nicht gern sehen. Für ThyssenKrupp bedeutet Dofasco den schnellen Zugang nach Nordamerika. Der Neubau eines eigenen Werks wäre zwar billiger, würde aber länger dauern.
(Börsen-Zeitung, 28.1.2006)
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