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Börsen-Zeitung: Die US-Zinskurve ist invertiert, Kommentar zur konjunkturellen Abschwächung in den USA von Kai Johannsen

Frankfurt (ots)

Nun kann man es wohl bald drehen und wenden, wie
man will: Die US- Zinsstrukturkurve scheint nachhaltig in eine
inverse Form überzugehen, und zwar über das gesamte
Fristigkeitsspektrum. Die in der vergangenen Woche wieder
eingeführten Longbonds der Amerikaner mit 30 Jahren Laufzeit
rentierten am Montag mit 4,56%. Die kürzeren Fälligkeiten warfen mehr
Rendite ab: Die zehnjährigen Treasuries 4,59%, für fünf Jahre gab es
4,60%, auf zwei Jahre 4,69%, und wer den USA nur für sechs Monate
Kapital zur Verfügung stellt, erhält 4,70%. Die Dreimonatssätze lagen
in den vergangenen beiden Handelstagen mitunter ebenfalls noch über
den Sätzen der Langläufer.
Die Zinsstrukturkurve war in den vergangenen 50 Jahren ein
ausgesprochen verlässlicher Konjunkturindikator. Mit Ausnahme der
Aktien-Bubble Ende der neunziger Jahre wurde jede
Wachstumsverlangsamung oder Rezession durch eine flache bzw. inverse
Zinskurve angekündigt. Der Vorlauf beträgt drei bis sechs Quartale.
Aus der sich umkehrenden Renditedifferenz lassen sich verschiedene
konjunkturelle Implikationen ableiten. Zum einen reflektiert die
Zinskurve die Geldpolitik. Zinssatzänderungen der Notenbanken setzen
immer am kurzen Ende der Kurve an. Mit einer Verzögerung im genannten
Ausmaß schlagen sich die Zinserhöhungen, die Ausdruck einer
restriktiveren Politik sind, in einer konjunkturellen Abschwächung
nieder. Zudem sind niedrige langfristige Zinsen auch ein Zeichen
verringerter Kapitalnachfrage der Unternehmen. Mangelnde
kreditfinanzierte Investitionstätigkeit dämpft die Konjunktur
zusätzlich. Auch für die Banken erscheint die langfristige
Kreditvergabe nicht mehr besonders lohnend, wenn für die
kurzfristigen Einlagen mehr bezahlt werden muss, als über
Fristentransformation am langen Ende hereingeholt werden kann. Das
führt im Ergebnis zu einer restriktiveren Kreditvergabepolitik mit
entsprechenden Auswirkungen auf private Konsum- und
Investitionsgüternachfrage.
Mit Blick auf die Wachstumsraten der USA ist es verfrüht, infolge
der jetzt deutlicher invertierten Kurve bereits von
Rezessionsgefahren zu sprechen. Aber die Märkte scheinen den
längerfristigen konjunkturellen Einfluss der 14 US-Zinsanhebungen
zweifelsohne ernst zu nehmen. Mit Sicht auf drei bis sechs Quartale
steht zumindest eine Abkühlung auf der Agenda.

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