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Börsen-Zeitung: Schering weggeschwemmt, Kommentar von Ulli Gericke zum Übernahmeangebot von Merck für Schering

Frankfurt (ots)

Schering und das stete Geraune einer drohenden
feindlichen Übernahme gehören schon seit Jahren zusammen. Doch nach
der vielhundertfachen Wiederholung der kurstreibenden Spekulation
glaubte kaum noch ein Marktteilnehmer an eine schnelle Realisierung.
Dementsprechend überrascht war Schering von der Ankündigung des
MDax-Wertes Merck, den im Dax notierten Pharmakonzern übernehmen zu
wollen. Außer dem Statement, mit den gebotenen 77 Euro je
Schering-Aktie seien die Berliner „erheblich unterbewertet“, fiel den
Hauptstädtern gestern wenig ein zur Abwehr der ungebetenen Offerte.
So musste der Ex- Vorstandschef und heutige Aufsichtsratsvorsitzende
Giuseppe Vita im fernen Mailand einspringen mit der Botschaft, ein
helfender Weißer Ritter werde schon noch anklopfen. Schließlich habe
eine unabhängige Bewertung Schering auf einen Wert von bis zu 19 Mrd.
Euro taxiert – wohingegen Merck nur magere14,6Mrd. bietet.
Kein Zweifel, die Berliner wollen Widerstand leisten. Damit
entsprechen sie den Erwartungen der Börse, die den Aktienkurs von
Schering gestern um gut ein Viertel auf 84,59 Euro trieb – und damit
ca. ein Zehntel über die Merck-Offerte. Wollen die Darmstädter noch
zum Zuge kommen, müssen sie deutlich nachbessern. Gleichgültig, ob
die Hauptstädter tatsächlich einen Weißen Ritter finden oder nicht.
Gleichwohl müssen die Berliner einen latenten Überdruss bei ihren
(vornehmlich institutionellen) Aktionären einkalkulieren. Schon im
vergangenen Herbst war das Gegrummel einiger Fonds über die schlechte
Kursperformance nicht mehr zu überhören. Nach mehreren Fehlschlägen
oder Verzögerungen bei neuen Medikamenten sah sich Schering vom
letztjährigen Börsenaufschwung abgekoppelt. In Folge wurden
Forderungen laut, den Konzern zu zerschlagen oder zu verkaufen. Merck
– oder wer auch immer mehr bietet – trifft also auf ein
grundsätzliches Abgabeinteresse. Und das dürfte auch für den einzig
nennenswerten Großaktionär, die Allianz, gelten. Der Schering-
Vorstand sieht sich damit ausgebootet. Weder rettet ein erneutes
Rekordergebnis samt um ein Fünftel angehobener Dividende. Noch
schützt eine spezialisierte Nischenpolitik, die kaum Synergieeffekte
für den Käufer erhoffen lässt. Wenn Geld im Überfluss vagabundiert
und die Zinsen niedrig sind, werden selbst Übernahmen fast ohne
strategische Logik angeschoben.
(Börsen-Zeitung, 14.3.2006)

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