Boersen-Zeitung: Gedrängel an der Gasquelle, Kommentar zum Energiemarkt von Brunfrid Rudnick
Frankfurt (ots)
Das Lamentieren über die exorbitant hohen Ernergiepreise und der hilflose Ruf nach dem Eingreifen des Staates lösen die sich verschärfenden Probleme bei der Versorgung mit Energie nicht. Die erhoffte Stärkung des Wettbewerbs durch die nächsten regulierenden Liberalisierungsschritte bringt keinen Kubikmeter mehr Erdgas und keine Kilowattstunde mehr Strom zum Verbraucher. Bei allen Gefahren, die von der akuten Verteuerung der Energierechnung für die Konjunktur ausgehen, wirklich unter den Nägeln brennt uns die globale Verknappung der Primärenergie.
Um den tatsächlichen Zustand und die Zukunft der globalen Energiewelt zu erfassen, ist Realismus gefragt. Das hat uns vor wenigen Tagen der Gazprom-Chef Alexej Miller recht drastisch vor Augen geführt, als er drohte, der EU den Gashahn zuzudrehen, sollte ihm durch politische Eingriffe der direkte Zugang zu diesem Markt verwehrt werden.
Es ist kein Zufall, dass die Gazprom stattdessen ihre Aufmerksamkeit neuen Kunden in China und Nordamerika schenken will, denn der allgemeine Energiehunger beschleunigt den Wettbewerb um Energiequellen. Und da geht es mit harten Bandagen zu.
Vor diesem Hintergrund wäre es segensreich, könnte sich nun auch der Eon-Konzern (nach der BASF) in das sibirische Gasfeld Yuschno Russkoje einkaufen. Der direkte Zugriff auf die Gasquellen der Gazprom wird zwar die Abhängigkeit von Russland, dem Weltmarktführer in der Energieversorgung, noch vergrößern. Russland deckt schon jetzt jeweils ein Drittel des deutschen Gas- und des Ölverbrauchs. Doch es führt kein Weg an zusätzlichen Importen auch aus Sibirien vorbei, denn Europa muss eine Versorgungslücke schließen: Bis 2020 wird ein Drittel mehr Gas gebraucht als heute.
Im Übrigen hat ein direktes Investment in Förderung und Transport eine höhere Qualität als langfristige Lieferverträge, ganz abgesehen davon, dass die Gazprom Unterstützung bei dringend notwendigen Investitionen in die Infrastruktur braucht, um langfristig die Lieferfähigkeit zu sichern. Der Charme für Gazprom: Eon bietet - wie die BASF mit Wingas - einen direkten Zugang zum Gasmarkt durch Beteiligungen in Mittel- und Osteuropa. Der bittere Beigeschmack des Deals: Gazprom ist der verlängerte Arm des Staates.
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