Boersen-Zeitung: Scheues Immobilienkapital, Kommentar zum geplanten Vivacon-Immobilien-Börsengang in London von Christoph Ruhkamp
Frankfurt (ots)
Das Kapital galt schon immer als ein "scheues Reh". Im Falle des börsennotierten, deutschen Immobilienkapitals erweist es sich jetzt auch noch als höchst ungeduldig. Seit mehr als einem Jahr wird in Berlin über die Einführung von Real Estate Investment Trusts (Reits) in Deutschland diskutiert. Die Marktteilnehmer suchen sich derweil schon andere Wege.
Jüngstes Beispiel ist der Kölner Wohnungshändler Vivacon, der über den Börsengang einer neuen Gesellschaft am Londoner AIM-Segment 500 Mill. Euro für Wohnungskäufe in Deutschland einsammeln will. Faktisch handelt es sich dabei um einen Reit, obwohl diese Vehikel auch in Großbritannien erst Anfang 2007 nutzbar sind. Für die entsprechenden Charakteristika - dazu zählt vor allem die nahezu vollständige Ausschüttung der Gewinne sowie deren Besteuerung beim Anleger - sorgt im Falle von Vivacon eine komplexe Struktur mit Unternehmenssitz in der Steueroase Isle of Man und einer Zwischenholding in Luxemburg.
Die Kölner sind nicht die ersten Akteure aus Deutschland, die Immobilien im Ausland an die Börse bringen. Erst kürzlich hatte der US-Finanzinvestor Fortress ein von der Dresdner Bank erworbenes Immobilienpaket über eine Struktur mit Sitz in Guernsey in Amsterdam an den Markt gebracht. Die Fondsgesellschaft Commerz Grundbesitz Invest notierte einen Teil ihrer französischen Immobilien aus steuerlichen Gründen in Form eines Reit an der Pariser Börse. Schon in dieser Woche könnte es in Berlin eine Entscheidung zugunsten deutscher Reits geben. Die Fragen zur Besteuerung ausländischer Reit-Aktionäre gelten als gelöst. Zur Diskussion steht vor allem noch, ob Wohnimmobilien zunächst - wie von Teilen der SPD gefordert - ausgeklammert werden oder nicht. Befürchtet werden Mietsteigerungen und mangelnde Investitionen in Wohnungen. Diese Befürchtungen - ob begründet oder nicht - an Reits zu knüpfen macht jedoch wenig Sinn. Denn ob die Mieten steigen oder sinken, wird kaum von der Rechtsform der Eigentümergesellschaften abhängen. Sicher ist jedoch, dass eine weitere Verzögerung für deutsche Reits zu vermehrten Immobilien-Börsengängen deutscher Akteure an ausländischen Börsen führen wird. Für die Schaffung von Jobs am hiesigen Finanzplatz ist das nicht gerade förderlich. Das Kapital sucht sich eben seinen Weg.
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