Boersen-Zeitung: Lex Deutsche Börse, Kommentar zur Öffnung des Dax für Aktien ausländischer Firmen von Dieter Kuckelkorn
Frankfurt (ots)
Die Deutsche Börse hat mit einer handfesten Überraschung aufgewartet. Künftig soll Unternehmen, die ihren juristischen Sitz im Ausland haben, der Platz im Dax nicht länger verwehrt sein. Gegen eine solche Änderung des Regelwerks der Indizes, von der künftig Werte wie EADS und Depfa Bank profitieren könnten, gibt es prinzipiell wenig einzuwenden.
Auffällig ist, dass die von der Börse präsentierten Beweggründe eher dünn ausfallen. Vom Wettbewerb mit anderen Indexanbietern ist die Rede. Wenn beim Dax Schwergewichte durch Fusion und Akquisition ausscheiden und die Nachrücker deutscher Provenienz im Vergleich dazu eher schmalbrüstig sind, dann leide darunter die Marktkapitalisierung des Index. Schwergewichte aus dem Ausland könnten - theoretisch jedenfalls - für eine gewisse Abhilfe sorgen. Allerdings, so könnte man einwenden, ist es wohl so etwas wie ein Naturgesetz von Aktienindizes, dass Nachrücker meistens von unten kommen. Außerdem blickt man erklärtermaßen mit Sorge auf die Rechtsform der Societas Europaea, anlässlich deren Einführung sich Dax-Werte ins Ausland absetzen könnten. Irgendwie drängt sich bei derartigen Argumenten der Eindruck auf, dass die Börse um den heißen Brei herumredet.
Merkwürdig ist ferner, dass es momentan eigentlich keinen Grund für Veränderungen gibt. Mit Blick auf die relevanten Kriterien Marktkapitalisierung und Börsenumsatz haben weder EADS noch Depfa aktuell eine Chance, in den Dax zu kommen. Warum kommt die Novellierung der Dax-Regeln also gerade jetzt?
Der Schlüssel zum Verständnis dürfte die Situation sein, in der sich die Deutsche Börse selbst befindet. Der Plan des Vorstandsvorsitzenden Reto Francioni zur Fusion mit Euronext sieht nämlich vor, dass eine börsennotierte Holding mit Sitz in den Niederlanden gegründet wird. Diese Gesellschaft hätte nach den alten Regeln kein Anrecht auf den begehrten Platz im Dax, womit sich die Deutsche Börse aus der ersten Liga börsennotierter deutscher Unternehmen verabschieden müsste. Somit ist klar, worum es geht: Erlassen worden ist eine Lex Deutsche Börse, mit der die eigene Position in dem hinter den Kulissen weiter auf Hochtouren laufenden Kampf um die europäische und globale Börsenkonsolidierung gestärkt werden soll.
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